Jörg Baumgarte ist für die Abfallentsorgung am Hannover Airport verantwortlich. (Foto: Marek Kruszewski, Hannover Airport)
Jörg Baumgarte ist für die Abfallentsorgung am Hannover Airport verantwortlich.
Foto: Marek Kruszewski, Hannover Airport

Recycling am Flughafen Hannover Ein zweites Leben für Sonderabfälle

Der Flughafen Hannover-Langenhagen veröffentlicht in seiner jährlichen „Umwelterklärung“ ganz konkrete Vorhaben, die zeigen, dass auch ein Airport zugleich ökonomisch, ökologisch und sozial erfolgreich sein kann. Nachhaltigkeit steht hier ganz oben in der Firmenpolitik. Viele innovative Ideen kommen von engagierten Mitarbeitern. Einer von ihnen ist Jörg Baumgarte aus dem Bereich Abfallentsorgung. Er stand uns auf dem Flughafengelände für ein Interview zur Verfügung.

Herr Baumgarte, der Luftverkehr in Deutschland steht derzeit vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen. Inwieweit bleibt denn hier am Hannover Airport Zeit, über Umweltschutz nachzudenken?

In Sachen Klimaschutz halten wir auch nach der Corona-Krise an den Zielen der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) fest, unsere CO2-Emissionen nachhaltig zu senken. Konkret bedeutet das: Bis 2030 ist eine Reduktion um 50 Prozent geplant. Umweltschutz ist hier ein zentrales Unternehmensziel für die gesamte Infrastruktur und an jedem Arbeitsplatz. Zu den direkten Umweltaspekten zählen bei uns neben Ressourcen- und Wasser-Verbrauch vor allem Abfälle und Gefahrstoffe, die hier am Standort zu managen sind. Abfälle sind für uns zum größten Teil Wertstoffe und wir prüfen regelmäßig, ob Hilfs- und Betriebsstoffe, die bei uns zum Einsatz kommen, auch noch umweltfreundlicher eingekauft werden können.

Welche unterschiedlichen Abfälle fallen am Flughafen an und in welchen Mengen?

Abfälle entstehen am Hannover Airport vielerorts. Jeweils ein Drittel fällt auf die Verwaltung und die Werkstätten, die ansässigen Firmen (Reiseveranstalter, Frachtunternehmen) sowie die Besucher, Fluggäste im Terminal und den Flugverkehr. Bei der Reduzierung des Abfallaufkommens verfolgen wir die Leitlinien der Abfallwirtschaft: vermeiden, vermindern und verwerten. Dazu werden regelmäßig alle Abfallströme überprüft, bewertet und optimiert. Selbstverständlich gehört dazu auch, Wertstoffe getrennt zu sammeln. So können sie anschließend einer entsprechenden Verwertung zugeführt werden. In den öffentlichen Bereichen sind wir dabei auf die Hilfe der Besucher und Passagiere angewiesen. Hier befinden sich zahlreiche Abfallbehälter. Gesammelt wird auch hier getrennt: Papier, Glas, Restabfall und Wertstoffe. Allein 2018 haben wir Pfandgeld über 10.000 Euro mit unseren Pfandflaschenboxen aus dem Sicherheitsbereich eingesammelt. Mit dem Erlös unterstützen wir übrigens unter anderem die Langenhagener Tafel, das Diakonische Werk Hannover und weitere Institutionen in der Nachbarschaft des Flughafens.

Jörg Baumgarte

  • Ausbildung zum Landmaschinenmechaniker
  • absolvierte im zweiten Bildungsweg eine Umschulung zum Ver- und Entsorger
  • seit 1987 Mitarbeiter der Abfallwirtschaft im Hannover Airport

Man liest häufig über den Flughafen Hannover und dessen Umwelt-Vorhaben, die meist von Mitarbeitern initiiert werden. Welche Projekte sind denn hier im Bereich Abfallentsorgung schon konkret umgesetzt?

Da fallen mir gleich fünf Maßnahmen ein, die in meinem Bereich eingeführt wurden. Um beispielsweise unsere Exportfracht zu verpacken, greifen wir zu wiederverwertetem Verzurrmaterial. Unsere neuen Enteisungsfahrzeuge sind nicht nur energie-effizienter, sondern benötigen auch weniger Enteisungsmittel. Punkte drei und vier: Auf dem ganzen Flughafengelände setzen wir nur noch wasserbasierte Lacke ein und selbst die Putzlappen werden am Hannover Airport wieder verwendet, zum Beispiel in unseren Werkstätten. Ebenfalls eine Mitarbeiter-Idee: Der Erlös aus den Pfandflaschen-Boxen, in die Passagiere ihre Flaschen werfen können, spenden wir für einen guten Zweck.

Welche Aufgaben stehen täglich auf Ihrer To-do-Liste?

Ich bin seit 1987 am Hannover Airport. Ungefähr ein Drittel meiner Arbeitszeit nimmt die Datenauswertung am Rechner ein. Zwei Drittel der Zeit bin ich unterwegs auf dem Flughafengelände, in den Terminals, beim Zoll und auch bei den Müllverbrennungsanlagen und Schrotthalden. Eine andere wesentliche Aufgabe ist das Management des Sondermüll-Zwischenlagers, das wir 1999 in Betrieb genommen haben. Hier lagern wir feste, gasförmige, flüssige, brennbare sowie wassergefährdende Stoffe. Oft kommt dann tagsüber der ein oder andere Anruf aus verschiedenen Abteilungen: Ein Farbeimer ist umgekippt, eine ölige Substanz ausgelaufen oder einem Fluggast wurde eine nicht identifizierbare nach Chlor riechende Flüssigkeit abgenommen. Dann sind mein vierköpfiges Team und ich pausenlos auf dem Gelände unterwegs.

Wie hoch ist der Anteil an gefährlichen Abfällen und welche sind das genau?

Mittlerweile haben wir 100 bis 150 Tonnen gefährliche Abfälle und 1.500 bis 1.800 Tonnen nicht gefährlichen Abfall, wie 500 Tonnen Papier und Kartonagen, ungefähr 1.000 Tonnen Sperr- und Restmüll. Was die Sonderabfälle betrifft, fallen hier Leuchtstoffröhren, Farb- und Lackverdünner, Altlacke und Farben, Leim- und Klebemittel, synthetische Bearbeitungsöle, Strahlmittel, Verbrennungsmotoren- und Getriebeöl, Kunststoff- und Metallbehältnisse mit schädlichen Restanhaftungen, feste mit Fett- und Öl-verschmutzte Betriebsmittel, Altreifen, Ölfilter, E-Schrott, Blei-Akkus, Trockenbatterien, Spraydosen, Schlämme aus der Abwasserreinigung und Feinchemikalien an.

Wie läuft die Sammlung, Sortierung und Entsorgung der verschiedenen Abfälle am Flughafen ab? Welche Besonderheiten gibt es bei gefährlichen Abfällen?

Abfälle, direkt aus dem Flugverkehr sind eine spezielle Sache, denn die Übertragung von Erregern und Krankheiten aus dem Ausland via Flieger muss vermieden werden. Deshalb ist die Sortierung in diesem Spektrum schwierig, wenn es um Müll von Passagieren geht. Aber unter diesen Fluggast-Abfallmengen sind kaum gefährliche Abfälle, also höchstens 5 Prozent. Aber ab und zu holen wir aus dem Handgepäck auch mal Kettensägen. Früher gab es sogar Fluggäste, die mal einen Motorblock via Handgepäck transportieren wollten.

Ein Drittel der gesamten Abfälle fallen in den Werkstätten und Werften an, darunter sind auch die meisten Sonderabfälle, um die wir uns kümmern. Wir sammeln sicher in unserem Sonderabfall-Zwischenlager in ASP- und ASF-Behältern. Immer donnerstags ist unser Sonderabfall-Annahmetag direkt im Lager, da werden Abfälle aus allen Bereichen hier angeliefert, von meinen Mitarbeitern umverpackt, geprüft und nachsortiert. Sind die Behälter der jeweiligen Abfall-Art voll, bestellen wir einen zertifizierten Entsorger für gefährliche Abfälle, der die Behälter abholt und entweder in die Verbrennung oder Verwertung transportiert.

Gutes Stichwort „Verwertung“ – Welche Sonder-Abfälle werden am Hannover Airport tatsächlich recycelt?

Da habe ich drei hervorragende Beispiele für Sie. Ein etwas unkonventionelles Recycling betreiben wir mit unseren Scheren und Messern, die beim Normalflugverkehr gesammelt und in einem ASP 800 gelagert werden. Diese „Abfälle“ spenden wir nämlich an einen An- und Verkauf und so dienen sie einem guten Zweck und werden wieder verwendet. Ein anderes Konzept verfolgen wir mit Rigips, also Gipskarton, der bei vielen Baumaßnahmen eingesetzt wird. Dieses Material wird nach dem Ausbau dem Recycler zugeführt. Dort wird die Pappe vom Gips getrennt, der Baustoff aufbereitet und dann wieder zu neuen Platten gegossen. Aber unser größtes Vorzeige-Projekt im Bereich Abfallverwertung ist die Sanierung von Parkplatz 10. Hier verarbeiten wir gerade mehrere tausend Tonnen Beton, der nach Umbaumaßnahmen an den Start- und Landebahnen im Jahr 2018 als Recyclingmaterial, sogenannter Brechkies, aufbereitet worden ist.

Wie möchten Sie den Flughafen auch perspektivisch nachhaltig gestalten?

Mein Team und ich wollen gern das Thema Nachhaltigkeit am Flughafen und in der Region weiter vorantreiben und dabei auch unkonventionelle Wege beschreiten. Beispielsweise mit Maßnahmen, die das Wir-Gefühl aller Airport-Mitarbeiter weiter steigern. Denn auch das hat positive Auswirkungen auf die Abfallentsorgung und die Mülltrennung. Der Einsatz moderner Technik wie beispielsweise die Umstellung auf Elektro-Müllfahrzeuge oder die Digitalisierung in vielen Bereichen hilft beim Umweltschutz und bei der Vermeidung von gefährlichen, aber auch nicht gefährlichen Abfällen.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

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