Hajo Busch, Sachverständiger, Autor und Gefahrgutbeauftragter (Foto: Privat) (Foto: privat)
Mit mehr als 50 Jahren Erfahrung ist Hajo Busch eine Koriphäe des Gefahrgutrechts
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Fachmesse Gefahrgut Ein Gespräch mit Gefahrgut-Experte Hajo Busch vom Gefahrgutverband Deutschland e.V.

Bei der GGS 2022, der Fachmesse für Gefahrgut und Gefahrstoff in Leipzig, trafen sich die Experten und Expertinnen der Branche. Unter ihnen entdeckten wir Hajo Busch, den „Vater“ aller Gefahrgutverordnungen in Deutschland. Auch mit 87 Jahren wird er nicht müde, sein Wissen weiterzugeben und hat in diesem Jahr eine Neuauflage seines Gefahrgut-Lexikons herausgebracht. Als „Lebenswerk“-Interview möchte er aber das Gespräch auf keinen Fall bezeichnen.

Sehr geehrter Herr Busch, Ihr Gefahrgut-Lexikon umfasst 320 Seiten. Welche Informationen finden wir darin?

Das Gefahrgut-Lexikon enthält Musterlösungen für alle Prüfungen, die beim Gefahrgut-Transport vorgeschrieben sind und 3.500 Erläuterungen zu Rechtsbegriffen aus dem Schwerpunkt „Gefahrgut-Transporte“. Es ist nicht immer leicht, lesbare Gefahrgut-Rechtslagen zu verfassen. Hier bemühe ich mich, so zu informieren, dass das verstanden wird und die Beauftragten die Hinweise auch in der Praxis umsetzen können.

Sind Sie noch in der Praxis tätig?

Selbstverständlich! Ich habe kürzlich vor der IHK Lüneburg nochmals eine Verlängerung der Prüfung gemacht, um als Gefahrgutbeauftragter tätig sein zu dürfen und habe das auch bestanden. Daraufhin hat die IHK dafür gesorgt, dass ich in das Guinness-Buch der Rekorde namentlich aufgenommen worden bin – als ältester Gefahrgutbeauftragter der Welt.

Wie sind Sie denn in Ihrem Werdegang zu diesem Fachbereich gekommen?

Ich habe bei der Eisenbahn drei Jahre Lehrzeit absolviert. Und nach der Lehrzeit bin ich zur Handelsschule gegangen, habe mir die Berechtigung verschafft, ein Studium beginnen zu dürfen. Und das habe ich dann in Wuppertal und Düsseldorf absolviert und auch mit dem Verwaltungsdiplom abgeschlossen. Mitte der 60er Jahre bin ich von der damaligen Bundesbahndirektion Wuppertal in das Verkehrsministerium gewechselt. Dort habe ich das Gefahrgutrecht von Anfang an aufgebaut, denn ich war bei vielen der tragischen Unfälle mit Gefahrgut nachträglich involviert und habe an den Folgen gearbeitet, nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt. Ich habe europaweit mit Vorträgen über die Gefahren beim Transport aufgeklärt und auch bei der UNO an allen jährlichen Sitzungen in London teilgenommen.

Hajo Busch

  • befasst sich seit 1963 mit den Rechtsvorschriften für den Transport gefährlicher Güter und war ab 1967 im damaligen Bundesministerium für Verkehr in Bonn tätig
  • seit September 2000 arbeitet er als Sachverständiger, Fachbuchautor, Fachjournalist und Gefahrgutbeauftragter
  • sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene beschäftigt er sich seit über 50 Jahren mit diesem Rechtsbereich
  • aktuelle Publikationen: „Lexikon Gefahrgut // Gefahrgutwissen von A bis Z“ und eine Sonderausgabe „Gefahrgut für die Praxis 2019/2020“ mit dem Titel „Schulung, Unterweisung, Ausbildung im Gefahrgutrecht – Eine Bestandsaufnahme mit Anregungen“

Wir haben gerade einen Vortrag zum neuen ADR 2023 gehört. Waren Sie daran auch beteiligt?

Ich bin an der Weiterentwicklung dieser Vorschriften nicht mehr direkt beteiligt. Aber die zuständige Referatsleiterin des Bundesministeriums für Verkehr kenne ich auch über meine frühere Kollegin aus dem internationalen Bereich. Häufig werde ich auch zu Einzelpunkten nach meiner privaten Meinung befragt. Das ist aber eine wirkliche private Befragung, die nicht einfließt in die offizielle Anhörung.

Was würden Sie jedem raten, der anfängt, sich mit gefährlichen Abfällen zu beschäftigen? Wo kann man sich relativ schnell einen Überblick über die Gefahrgutverordnungen schaffen?

Ihm würde empfehlen – in der Annahme, dass es in erster Linie um den Straßenverkehr geht –, sich mit der Europäischen Gefahrgutverordnung (ADR) zu befassen. Im Übrigen stehe ich nach wie vor für jedermann zu allen Fragen zur Verfügung, die in der Praxis auftreten. In der Regel werde ich innerhalb einer Woche mehr als fünf Mal von unterschiedlichen Menschen oder Firmen angemailt, um Auskunft zu offenen Fragen zu geben. So ist auch die Idee zu meinem Lexikon entstanden, hier einmal Basiswissen zusammenzutragen. Und vor allem: Diese Erläuterungen auch so abzufassen, dass ein Nichtjurist dies ohne Weiteres versteht.

Machen wir eine Probe aufs Exempel: Wie würden Sie jemandem den Unterschied zwischen Gefahrstoff und Gefahrgut erklären?

Der eine Begriff, Gefahrstoff, betrifft – wie es der Name schon sagt – den Stoff selbst. Der andere, Gefahrgut, betrifft die Regularien, die beim Transport des Gefahrstoffs als Gut zu beachten sind. Diese Regularien sind so aufgestellt, dass eine Gefährdung Dritter oder überhaupt der gesamten Umwelt ausgeschlossen wird. All das haben wir im Lauf der Zeit angepasst und ausgebaut. Und immer weiter entwickelt, entsprechend den Bedürfnissen, die sich aus der Praxis ergeben. Das ist für mich das Allerwichtigste und auch nach wie vor der Beweggrund, in diesem Bereich tätig zu sein. Man muss also den Leuten verständlich machen, warum. Es darf nicht aus der Mitte der Theorie einfach zu Ende sein, indem man sagt: Das ist so und das müsst ihr verstehen. Nein, man muss jedem Beteiligten auch klarmachen, warum diese Vorschriften existieren. Wenn ich gerade an gefährlichen Abfall denke: Mit den Vorschriften erreicht man, dass Sonderabfälle zur Entsorgung befördert werden, ohne dass für irgendeinen Dritten eine Gefährdung eintritt, und dass die Entsorgung auch so erfolgt, dass auch dadurch weder die Umwelt noch andere Menschen gefährdet werden.

Nun hat die Gefährdungsbeurteilung eines Gefahrgut etwas mit den physikalisch-chemischen Eigenschaften des Stoffes zu tun. Jetzt sind Sie kein Chemiker oder Physiker. Wie schätzt man das Ganze denn korrekt ein?

Wir haben dazu Sachverständige und zwar sowohl der Physikalisch Technischen Bundesanstalt in Braunschweig wie insbesondere auch der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung in Berlin. Ich selbst habe bei meiner Tätigkeit immer darauf geachtet, zu Vertretern dieser Institutionen auch einen so starken persönlichen Kontakt zu haben.

Nach 50 Jahren Praxis sei diese Frage erlaubt: Gibt es eine Anekdote, die für Sie besonders spannend war?

In erster Linie sind das Geschichten um Sprengstoffe, Munition der Bundeswehr und in zweiter Linie um entzündliche Flüssigkeiten und zwar insbesondere Benzin und Diesel. Ich bin auch sehr häufig mit Problemen im Bereich der Gase konfrontiert gewesen. Auch das war nicht immer einfach. Aber ich hatte an meiner Seite auch immer Fachleute, die mich gut beraten haben. Oft haben sie mich sogar auf internationalen Reisen begleitet, gerade zu Häfen. Ich gebe mal ein Beispiel: Als vor Antwerpen ein Schiff beladen mit Fässern mit Uranhexafluorid untergegangen ist, bin ich mit Prof. Dr. Bernd Schulz Forberg von der BAM hingeflogen und wir haben die ganze Unfall-Geschichte dokumentiert und aufgeklärt. Als auf einem Campingplatz in der Nähe von Barcelona ein Tankwagen mit Gasen explodiert war und mehr als 300 Leute starben, sind wir ein Jahr lang durch Europa gereist und haben das ADR für den Straßenverkehr entsprechend verbessert. Insbesondere die technischen Anforderungen für Straßentankfahrzeuge für den Transport von Gasen.

Was halten Sie von der Entwicklung, dass immer mehr geforscht wird, wie man auch gefährlichen Abfall recyceln kann?

Ich bin ein hundertprozentiger Anhänger des Recyclings. Ich bin der Meinung, dass wir für unsere Gesellschaft und für deren Zukunft nicht Besseres tun können, als die Bedingungen für das Betreiben von Recyclinganlagen so zu verbessern, dass niemand mehr durch Abfallstoffe oder durch das Verfahren, das dabei angewandt wird, gefährdet wird. Das ist meine persönliche Meinung und ich fühle mich auch durch Besichtigungen solcher Firmen darin bestätigt, dass das also etwas ganz Wichtiges für unsere Zukunft ist.

Vielen Dank für das Gespräch.

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