Sehr geehrter Herr Müller, mit sieben Standorten beliefert BORBET mehr als 30 Fahrzeughersteller mit Leichtmetallrädern – und das international. Die Qualität von „Made in Germany“ scheint immer noch sehr geachtet. Was schätzt die Kundschaft vor allem an Ihrem Unternehmen als Zulieferbetrieb?
Unsere Kunden und Kundinnen schätzen vor allem die Qualität, Quantität und Liefertreue bei gleichzeitig sehr hohen Anforderungen an unser Produkt. Auch die Bemühungen, die Fertigung und das Produkt nachhaltig zu gestalten, werden als sehr wichtig eingestuft. Aus diesem Grund haben wir ein Nachhaltigkeitsmanagement eingeführt, das zentral von einer Kollegin vom Firmenhauptsitz aus gesteuert wird.
Vor allem die Nachhaltigkeit hat sich das Unternehmen auf die Fahne geschrieben. Was verstehen Sie in der Firmenausrichtung darunter – gerade auf das Recycling bezogen?
Das Thema Nachhaltigkeit ist ein ganz wichtiger Punkt in der Unternehmenskultur und wird in den strategischen Zielen verankert. Auch Recycling stellt einen wichtigen Faktor bei uns im Haus dar. Ich sage es mal so: Es wird kein Aluminiumspan verschwendet, sondern gereinigt, getrocknet und wieder eingeschmolzen. Somit können wir gewährleisten, dass beim Fertigungsprozess kein Aluminium als Abfall anfällt. Auch bei weiteren Abfallsorten wollen wir die Mengen kontinuierlich minimieren und das Recycling voranbringen.
Rüdiger Müller
- 2006 Abschluss zum Umweltmanagement-Beauftragten
- Studium Umwelttechnik, Schwerpunkt: Abfallmanagement
- fachrelevante Weiterbildungen und Zertifizierungen
- Ausbildung zur Fachkraft für Arbeitssicherheit (Sifa) und Abfallmanagement (TÜV Nord)
- seit 11/2015 tätig bei BORBET Thüringen als Leiter für Arbeitssicherheit und Umweltschutz
Dem Thema Umweltschutz wird in Ihrem aktuellen Verhaltenskodex für die BORBET-Mitarbeitenden ein ganzes Kapitel gewidmet. Was wünschen Sie sich bei dieser Thematik von Ihrem Kollegium?
Mein Wunsch ist, dass alle Kollegen und Kolleginnen diese Passage im Kodex nicht als notwendiges Übel ansehen, sondern als Basis eines guten Umweltmanagements und als Notwendigkeit, um den Standort BORBET Thüringen zukunftsfähig zu machen.
Vielen Lesern und Leserinnen ist sicherlich nicht bewusst, welche gefährlichen Abfälle bei der Produktion von Leichtmetallrädern anfallen. Können Sie uns über die Abfallarten, die bei den einzelnen Produktionsschritten entstehen, aufklären?
Wir haben ca. 40 Prozent unserer anfallenden Abfälle als gefährlich eingestuft. Davon sind ca. fünf Abfallsorten hochgefährlich und müssen regelmäßig betrachtet werden. Zu diesen Abfällen zählen:
- AVV 080117* – Abfälle aus der Farb- und Lackentfernung, die org. Lösemittel oder andere gefährliche Stoffe enthalten
- AVV 110107* – alkalische Beizlösungen
- AVV 120109* – halogenfreie Bearbeitungsemulsionen und -lösungen
- AVV 190205* – Schlämme aus der physikalisch-chemischen Behandlung, die gefährliche Stoffe enthalten
- AVV 130205* – nichtchlorierte Maschinen-, Getriebe- und Schmieröle auf Mineralölbasis.
Wie man gut erkennen kann, kommen die meisten Abfälle aus nachgeschalteten Prozessen und nicht aus der Gießerei, dies liegt einfach daran, dass hier kaum gefährliche Abfälle anfallen und wir durch Substitution diese schon sehr stark minimieren können. Die gefährlichen Abfälle mit den höchsten Mengen fallen im Bereich Oberflächenbearbeitung und Lackiererei an. Hier haben wir uns auch den Fokus für die Betrachtungen und Maßnahmenbildung bis 2025 als Ziel gesetzt.
Die einwandfreie Sortierung und das Getrenntsammeln des Abfalls ist für Sie besonders wichtig. Welche Behälter mit welcher Farbe bzw. Deklaration helfen den Mitarbeitenden beim Trennen und Sammeln? Gibt es ein Sonderabfall-Lager?
Wir haben in der Produktion getrennte, gekennzeichnete Abfallbehälter und speziell geschultes Personal für den Abtransport und zum Sortieren. Gleichzeitig nutzen wir ein elektronisches Schulungs- und Unterweisungstool zur Instruktion unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Auch hier werden Umwelt- und Abfallthemen mit berücksichtigt.
Ein direktes Sonderabfalllager gibt es so nicht, aber im Jahr 2022 haben wir unseren neuen Abfallplatz nach den Anforderungen des Wasserhaushaltsgesetztes (WHG) und der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) in Betrieb genommen und einen Verantwortlichen gemäß Abfallverordnung zur innerbetrieblichen Betreuung ausgebildet.
Gerade bei der Vermischung von Flüssigkeiten kann aus einem nicht gefährlichen Abfall eine gefährliche Mixtur werden. Wie klären Sie die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hier auf und wo lauert Gefahr im Arbeitsalltag?
Durch die Produktionsprozesse und festgelegten Abfallsammlungen kann das gut vermieden werden, ansonsten gibt es natürlich Betriebsanweisungen, Kennzeichnungen und Schulungen unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Als Kontrollfunktion steht auch die Abteilung Umwelt- und Arbeitssicherheit (UASi) zur Verfügung. Das Problem der Vermischung haben wir ab und zu eher in den nicht gefährlichen Abfallfraktionen, wie zum Beispiel in der Sortierung von Folie oder Pappe und Papier.
Mit welchen Widrigkeiten kämpfen Sie in der Produktion als Umweltschutz- und Abfallbeauftragter?
Hier bestand lange die Problematik, anzuerkennen, welche Bedeutung und Wichtigkeit dieser Aufgabe obliegt. Das hat sich aber in den letzten Jahren durch erhöhte Kundenanforderungen sowie ein größeres Verständnis durch Kollegen und Kolleginnen stark verbessert. Heute besteht die Herausforderung vielmehr darin, Kundenanforderungen auch wirtschaftlich und die sehr stark gestiegenen Anforderungen aus Zertifizierungsprozessen (DIN ISO 14001, 45001, 50001, Nachhaltigkeit etc.) umsetzen zu können. Hier bedarf es auch sehr viel Verständnis seitens der Führungskräfte als auch aller Mitarbeitenden.
Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sind integraler Bestandteil aller Betriebsabläufe bei BORBET. Wie schützen Sie Ihre Belegschaft beim Umgang mit Sonderabfällen? Was hat sich in den letzten Jahren hier verändert?
Wir haben die Produktionsprozesse so gestaltet, dass unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gar nicht so oft Kontakt mit den Sonderabfällen haben. Zudem arbeiten wir sehr stark nach dem TOP- Prinzip und gestalten die Arbeitsschutzmaßnahmen so, dass technische und organisatorische Vorrang haben. Viele Aufgaben, die mit dem Abfallhandling zu tun haben, übernehmen dann auch Entsorgungsfachbetriebe. Sollte dennoch die Notwendigkeit des Handlings bestehen, stellen wir selbstverständlich sichere persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung.
Ihr wichtigstes Gut nach Ihren Mitarbeitern ist das Material, aus dem die Räder bestehen. Aluminium ist ein Wertstoff und dessen Gewinnung problematisch für Mensch und Natur, weswegen es möglichst in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden sollte. Wie tragen Sie dazu bei, dass Ihre Räder wiederverwertet werden und nicht im Restmüll landen?
Bei uns im Haus und auch an den anderen Standorten gilt die Prämisse, dass kein Rad extern entsorgt wird. Sollte ein Rad den Kundenanforderungen nicht entsprechen (z. B. nach dem Röntgen), können wir es im Rohzustand der Schmelzerei zur Verfügung stellen und teils automatisiert in den Schmelzprozess einbringen, um im Anschluss ein neues Rad zu gießen. Dazu wurde 2022 ein Schmelzofen in Betrieb genommen, der genau diesen Prozess automatisiert durchführt.
Bei der Auswahl unserer Aluminiumlieferanten achten wir sehr stark auf die Einhaltung unserer Nachhaltigkeitsstandards. Das wird mittlerweile auch von unseren Kunden und Kundinnen abgefragt und zählt daher mit zum Bestellstandard.
Vielen Dank für das Gespräch.