Dr. Fabian-Alexander Polonius wurde für seine Verdienste um die Gefahrgutbeförderung bei alternativen Antrieben bereits ausgezeichnet. (Foto: Mercedes-Benz AG)
Dr. Fabian-Alexander Polonius wurde für seine Verdienste um die Gefahrgutbeförderung bei alternativen Antrieben bereits ausgezeichnet.
Foto: Mercedes-Benz AG

Gefahrgutbeförderung dank stabilem Sicherheitsnetz „Unsere Basis ist ein Mix aus aktiver Kommunikation, Weiterbildung und Kontrolle“

Logistik, Speditionsgewerbe, Gefahrstoffe, Abfall und Umweltschutz, Lackierung, Entwicklung, Service und Verkauf – das Team aus Experten und Gefahrgutkoordinatoren bringt Wissen aus verschiedenen Bereichen mit. Diese Expertise, ständige Schulungen und unterschiedliche Kontrollen sind Elemente des Sicherheitskonzeptes bei der Mercedes-Benz Group AG. Wir sprechen mit Dr. Fabian-Alexander Polonius, der als Gefahrgutbeauftragter bei Deutschlands zweitgrößtem Automobilhersteller die Fäden zusammenhält.

Dr. Polonius, Sie sind der einzige Gefahrgutbeauftragte bei Mercedes-Benz. Geben Sie uns doch kurz Einblick in Ihr umfangreiches Aufgabengebiet.

Der einzige bestellte Gefahrgutbeauftragte, aber ich arbeite natürlich nicht allein. Eine motivierte und engagierte Mannschaft aus Gefahrgutexperten, die Erfahrungen aus unterschiedlichsten Fachrichtungen – Logistik, Speditionsgewerbe, Gefahrstoffe, Abfall und Umweltschutz, Lackierung, Entwicklung, Service und Verkauf – mitbringen und bereichspezifische Gefahrgutkoordinatoren, unterstützt mich tatkräftig. Wir geben die Grundvoraussetzungen und Standards der Gefahrgutvorschriften innerhalb von Mercedes-Benz weltweit vor. Wir beraten und schulen dazu Mitarbeiter und Führungskräfte. Die Überwachung der Umsetzung innerhalb der Gefahrgutorganisation liegt ebenfalls in unserem Aufgabenbereich, genauso wie die Erstellung des Jahresberichts für die Unternehmensleitung. Wir sind in nationalen und internationalen Gefahrgutgremien aktiv, um bei der Ausarbeitung sicherer und praxisnaher Gefahrgutvorschriften unsere Expertise einzubringen. Darüber hinaus liegt unser Fokus auch auf der Digitalisierung unserer Prozesse.

Dr. Fabian-Alexander Polonius

  • Mitte 2021 Bestellung zum Konzerngefahrgutbeauftragten der Mercedes-Benz Group AG
  • 2018 Auszeichnung 28. Deutscher Gefahrgutpreis
  • Seit 2012 Gefahrgutbeauftragter der damaligen Daimler AG bestellt, u. a. Vertreter des VDA im „Ständigen Ausschuss Gefahrgutbeförderung (AGGB)“, sowie weitere nationaler und internationale Gremien
  • Seit 2009 im Team des Gefahrgutbeauftragten der damaligen Daimler AG mit Schwerpunkt der Beförderung alternativer Antriebstrangkomponenten
  • Promotion 2002‐2006 Universität Dortmund (Chemie), Diplomarbeit 01‐05/2002 BASF AG/ Ludwigshafen
  • Studium 1998‐2002 Master of Chemistry (Industrial) University of Durham, U.K.

In der Automobilherstellung fallen unterschiedliche gefährliche Abfälle an. Welche sind das vorwiegend und wie organisieren Sie die Lagerung und vor allem den Transport der Sonderabfälle?

Hierbei ist es wichtig zu erwähnen, dass es sich bei Abfallrecht, Lagerung und Gefahrgut um unterschiedliche Rechtsgebiete handelt. Wir haben für jedes Gebiet Experten, die sich darum kümmern, dass alle rechtlichen Anforderungen erfüllt werden. Ausschlaggebend für Gefahrguttransporte ist beispielsweise das Gefahrgutrecht, nach dem wir identifizieren und klassifizieren und entsprechend verpacken, markieren, kennzeichnen und transportieren. Gegebenenfalls gibt es, wie beim Beförderungspapier dann noch den Hinweis auf einen Abfall. Die abfallrechtlichen Anforderungen werden dann parallel erfüllt.

Bei den Gefahrgut-Tagen in München sprechen Sie von einer zukunftsorientierten Gefahrgutorganisation. Wie sieht diese genau aus?

Die Anforderungen an einen sicheren Gefahrguttransport ändern sich stetig und sind nicht nur regulatorischer Natur. Produktänderungen und Weiterentwicklungen beeinflussen unser Geschäft genauso wie externe Einflüsse wie beispielsweise die Pandemie und auch die Energiekrise. Bei aller Dynamik erfordert das von uns ein hohes Maß an Aufmerksamkeit bei strikter Einhaltung aller Regelungen und schneller Anpassungsfähigkeit unserer Organisation. Unser Sicherheitsnetz besteht im Wesentlichen aus vier Punkten: 1. Organisieren der Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten 2. Regelungen (von den Grundvoraussetzungen bis zur konkreten Arbeitsanweisung) 3. Qualifikation von Mitarbeitern und Führungskräften 4. Kontrolle (von der Eingangs- und Abfahrtskontrolle, über Dienstleister und Prozesskontrollen bis hin zu Statusreports und zum Jahresbericht des Gefahrgutbeauftragten). Wenn ich von zukunftsorientierter Gefahrgutorganisation spreche, meine ich genau das.

Die Vermeidung von Gefahren beim Transport von Gefahrgut ist oberstes Schutzziel, steht aber laut Ihrem Vortrag immer im Spannungsfeld mit anderen Ansprüchen, wie Wirtschaftlichkeit oder Vermeidung von Überregulierung. Wie schaffen Sie diesen Spagat zwischen den Befindlichkeiten in Ihrer Arbeit?

Erst einmal ist es wichtig, sich darüber bewusst zu sein, dass es dieses Spannungsfeld gibt. Durch unsere enge bereichsübergreifende Vernetzung erarbeiten wir stetig Lösungswege und bringen die verschiedenen Spannungsfelder in Einklang.

Spannend ist dabei auch die Frage: Was passiert, wenn etwas passiert, was nicht geplant war? Können Prozesse in Ihrem Haus schnell angepasst werden? Wer reagiert wie und welche Bedeutung hat hierbei das vorgestellte Sicherheitsnetz bei Mercedes-Benz?

Aus unserem Sicherheitsnetz greift hier schwerpunktmäßig das Thema Kontrolle. Unsere Kontrollen sind so konzipiert, dass Auffälligkeiten frühzeitig vor potenziellen Auswirkungen erkannt werden. Die daraus resultierenden Erfahrungen werden kontinuierlich über unsere Qualifizierungsmaßnahmen weitergegeben und fließen in die Weiterentwicklung der Regelungen und Standards entsprechend ein.

Können Sie uns ein konkretes Beispiel aus Ihrem Werdegang benennen?

Der Job als Gefahrgutbeauftragter ist sehr divers und bedeutet sehr viel Kommunikation, was ich persönlich besonders daran mag. Wir sind erster Ansprechpartner bei allen Fragen rund um das Thema Gefahrgut – für alle Bereiche der Mercedes-Benz Group. Das können Fragen bei Auffälligkeiten bei einer Eingangskontrolle oder einer Begehung sein und reicht bis hin zur Beratung beim Transport von zum Beispiel Erprobungs- oder Forschungsfahrzeugen mit alternativen Antrieben. Unsere Kollegen kommen aktiv auf uns zu, um es richtig zu machen – diese Mentalität ist elementar, um Transparenz zu schaffen, Verbesserungen zu ermöglichen und eine sichere Beförderung zu gewährleisten.

Sie sind 2018 mit dem Gefahrgutpreis der Branche ausgezeichnet worden. Vor allem für die Entwicklung der Sicherheits-Rahmenbedingungen für alternative Fahrzeugantriebe. Was haben Sie hier genau voran getrieben?

Kern des Preises war das Vorantreiben von Regelungen für die Beförderung von alternativen Antriebstrangkomponenten wie zum Beispiel Lithium-Ionen-Batterien, auch mit Augenmerk auf beschädigte oder defekte Prototypbatterien. In Bezug auf die zunehmende Anzahl von Elektrofahrzeugen ein wichtiges Thema, dass wir in intensiver Abstimmung mit anderen Gefahrgutbeauftragten, Verbänden, Gremien, Behörden und Logistikpartnern proaktiv vorangebracht haben.

Dann ist Ihr Schwerpunkt im Besonderen die Beförderung von defekten Lithium Ionen Batterien. Was hat sich seit 2018 hier auf diesem Feld getan?

Es gibt heute beispielsweise mehr Anbieter von Lösungen für die Beförderungen von beschädigten Batterien. Vor zehn Jahren benötigte man noch ein Gutachten für eine Genehmigung für den Transport einer beschädigten Batterie. Heutzutage können Verpackungsanbieter nach einem genehmigten Testverfahren Verpackungen für verschiedene Batterien im Rahmen bestimmter Bedingungen anbieten. Das hebt nicht nur das Sicherheitsniveau, sondern ist auch effizienter und damit wirtschaftlicher.

In einer Pilotfabrik in Kuppenheim entsteht derzeit eine Batterie-Recycling-Anlage. Die batteriefähigen Sekundärrohstoffe, wie Kobalt, Nickel oder Lithium gewinnen Sie dort aus Ihren Fahrzeugen für Ihre Produktion? Auf Ihrer Website steht zu 96% ist die Recyclingquote. Wie haben Sie die Transporte der Batterien dorthin logistisch koordiniert?

Die Batterierecyclingfabrik ist gerade noch im Aufbau. Im Rahmen der Prozessgestaltung sind wir von Anfang an in das Projekt eingebunden und bringen unsere Expertise direkt ein. Hier sind gleich mehrere Bausteine interessant in der Betrachtung, denn es geht nicht nur darum, wie die Batterien ankommen beziehungsweise, wie sie versendet werden. Es geht auch darum was zusätzlich noch an Gefahrgütern für die Prozesse vor Ort gebraucht wird und auch welche Gefahrgüter innerhalb des Prozesses entstehen.

Der Bau von Windenergieanlagen auf einem Testgelände, der Ansatz „Design for Environment“, Ressourcenschonung… Welche Themen in Sachen Nachhaltigkeit bewegt derzeit den Gefahrgutbeauftragten bei der Mercedes-Benz AG?

Nachhaltigkeit bei der Gefahrgutbeförderung bei Mercedes-Benz bedeutet so mit der Gefahrgutorganisation aufgestellt zu sein, dass wir jederzeit eine sichere Beförderung gefährlicher Güter sicherstellen. Daher arbeiten wir bei Mercedes-Benz gemeinsam daran, unser Sicherheitsnetz kontinuierlich gespannt zu halten.

Vielen Dank für das Gespräch.

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