Sebastian Schormann ist Experte für Elektro(nik)-Altgeräte und setzt sich für realistische Meilensteine auf dem Weg zur Nachhaltigkeit ein. (Foto: Privat)
Sebastian Schormann ist Experte für Elektro(nik)-Altgeräte und setzt sich für realistische Meilensteine auf dem Weg zur Nachhaltigkeit ein.
Foto: Privat

Elektro(nik)-Altgeräte Kreislaufwirtschaft beginnt bei der Herstellung

Beim 20. Elektro(nik)-Altgerätetag in diesem Frühjahr prägten das EU-Klimaneutralitätsziel und die Herstellerverantwortung als übergeordnete Themen die Tagesordnung. Einen Blick auf aktuelle Regelungen und Möglichkeiten der Verwertung von Elektronik-Schrott als gefährlicher Abfall werfen wir gemeinsam mit dem Experten Sebastian Schormann, Mitglied im Arbeitskreis Elektro des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft e.V. (BDE).

Sehr geehrter Herr Schormann, erstmal ganz allgemein und über den Elektroschrott hinaus gefragt: Klimaneutralität und funktionierende Kreislaufwirtschaft – passt das zusammen?

Tatsächlich leistet die Kreislaufwirtschaft schon jetzt einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Gleichzeitig ist aber natürlich auch immer wichtig den Schwerpunkt darauf zu richten, welche Stoffe in den Abfällen enthalten sind und was mit ihnen im Rahmen von Verwertungsprozessen passiert.

Die Gesetzgebung wird immer strikter, d.h. Grenzwerte werden immer strenger. Was gestern noch erlaubt war, kann also heute schon verboten sein. Gerade die sogenannten POP-Stoffe (organische Verbindungen, die in der Umwelt sehr langsam abgebaut oder umgewandelt werden und sich in Organismen anreichern und schädliche Effekte entfalten) sind in den letzten Jahren stark in den Fokus gerückt. Das ist auch richtig und wichtig, allerdings wird die Diskussion um die Verschärfung von Grenzwerten teilweise sehr emotional geführt und dabei außer Acht gelassen, dass bereits bestehende Grenzwerte dazu beitragen, dass einerseits große Mengen dieser relevanten Stoffe sicher ausgeschleust werden können, gleichzeitig aber auch noch ein Recycling möglich ist. Die im Juni weitgehend final festgelegten neuen Grenzwerte könnten das Recycling gerade im Bereich der Kunststoffe aus Elektroaltgeräten komplett zum Erliegen bringen, da es aktuell technisch nicht möglich ist, diese Werte zu erreichen. Im Ergebnis würden diese Kunststoffe, die heute im Recycling durch ihren geringen CO2-Fußabdruck enorm dazu beitragen Ressourcen zu sparen, entweder verbrannt oder ggf. sogar deponiert werden.

Das Ziel der Zero Pollution, also einer schadstofffreien Welt sollte natürlich im Fokus bleiben, allerdings sind auf dem Weg dorthin realistische und abgestimmte Meilensteine zu setzen, um die Gesellschaft gleichzeitig auch Stück für Stück in die Zirkularität zu führen.

Wo stehen wir aktuell in Deutschland innerhalb der Europäischen Union?

Sicherlich schneidet die Bundesrepublik Deutschland in vielen Bereichen der Abfallwirtschaft und des Recyclings innerhalb der Europäischen Union gut ab, allerdings gibt es ganz klar auch Bereiche, in denen wir Stück für Stück die ehemals führende Position abgeben und überholt werden. Gerade im Bereich der Elektroaltgeräte haben wir noch viel Luft nach oben, obwohl natürlich nicht alles schlecht ist. Unsere Erfolge der Vergangenheit führen dazu, dass man sich vor größeren Änderungen scheut, die allerdings aus meiner Sicht erforderlich wären, um hier wieder an die Spitze zu kommen. Die politische Situation ist an dieser Stelle sehr verzwickt: Getreu dem Motto „zu viele Köche verderben den Brei“ fehlt es an klaren Verantwortlichkeiten. Durch die sogenannte geteilte Produktverantwortung zwischen Kommunen (Erfassung) und Herstellern (Entsorgung) fällt es immer wieder schwer klare Adressaten zu benennen, wenn es beispielsweise um die Unterschreitung der Sammelmengen geht.

Gleichzeitig sind auch die Vertreiber mit eingebunden und selbstverständlich auch die Erstbehandlungsanlagen – leider häufig aber nur am Rande, trotz ihrer wesentlichen Bedeutung. Für die Formulierung des Gesetzes ist das BMUV verantwortlich, aber auch das UBA mischt hier mit und beeinflusst die Gesetzgebung in nicht unerheblichem Maße. Für die Umsetzung wiederum sind die Stiftung ear, die Zertifizierer der Erstbehandlungsanlagen aber auch natürlich die Länder im Rahmen des Vollzugs gefragt. Also haben wir BMUV, UBA, Stiftung ear, Länder- und Vollzugsbehörden, öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger (örE), Hersteller (häufig vertreten über ZVEI und Bitkom), Vertreiber (der Handel), Entsorger (häufig vertreten über BDE, BVSE, VDM, BDSV) aber auch NGOs (z.B. DUH) die alle irgendwie mitreden.

Sebastian Schormann

  • Sebastian Schormann ist Mitglied im Arbeitskreis Elektro des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft e.V. (BDE) und engagiert sich besonders für den Themenbereich „Herstellerverantwortung“ und „Altgeräte-Rücknahme“.
  • Er hat mit 12 Jahren Berufserfahrung bei REMONDIS Elektrorecycling und als Geschäftsführer von WEEE Return sowohl Tätigkeiten im Vertrieb als auch im Key Account – und Projektmanagement absolviert.
  • Seine Ausbildung als Bachelor of Arts im Bereich Business Administration schloss er 2010 an der BA Hessischen Berufsakademie in Bochum ab.

Sie hatten bereits das Thema „Herstellerverantwortung“ als zentrale Lösung des Problems benannt. Welche Verantwortung tragen denn die Produzenten von Elektro(nik)-Geräten?

Bereits das erste ElektroG vom März 2005 diente der Umsetzung der europäischen WEEE-Richtlinie und regelte die gesetzlichen Pflichten von Herstellern und Importeuren beim Vertrieb von Elektro- und Elektronikgeräten in Deutschland. Sie sind seit dem nicht nur zur Registrierung, sondern auch zur Finanzierung der Rücknahme ihrer Produkte nach dem Ende dessen Lebenszyklus verpflichtet und verantwortlich dafür, eine sichere und umweltgerechte Verwertung oder Entsorgung zu gewährleisten.

Können Sie unseren LeserInnen vielleicht einen Entsorgungszyklus an einem konkreten Elektro-Altgerät-Beispiel erläutern? Vielleicht einem Kühlschrank?

Ein Kühlschrank ist ein sehr gutes Beispiel für gefährlichen Elektroschrott, denn da weiß jeder, wie er aussieht und was er leistet. Also nehmen wir mal an, der Hersteller möchte einen neuen Kühlschrank auf den Markt bringen. Bei der Produktion weiß der Hersteller schon, welche Teile und Substanzen in diesem Kühlschrank verbaut und verwendet werden sollen. Und hier muss er sich schon vorab an eine ganze Menge rechtlicher Rahmenbedingungen halten. Es gibt klare Vorgaben, wie viel Schwermetalle in welchen Grenzwerten, etc. darf ich einbauen. Zum Beispiel ging es in der Vergangenheit oft um Blei, das früher ein Bestandteil im Lötzinn war. Aber noch viel wichtiger sind hier die Kälte- und Treibmittel die früher den Ozonkiller FCKW enthielten und zum Glück schon seit den 90er Jahren verboten sind.

Also, nehmen wir an, der Hersteller hat sich an alle gesetzlichen Grenzwerte und Auflagen gehalten, dann wird die Konformität im Rahmen der Zulassung geprüft. Dies nehmen oft spezialisierte Dienstleister und Labore vor, die die Produkte stichprobenartig zerlegen und Proben entnehmen, aber auch die Lieferketten betrachten und mit der entsprechenden Deklaration abgleichen. Es müssen auch Anforderungen hinsichtlich Recycling-Hinweisen erfüllt sein, zum Beispiel, dass eine durchgestrichene Mülltonne als Symbol auf dem Kühlschrank aufgebracht wurde.

Alles erfüllt. Wie geht es dann weiter?

Wenn die Produktanforderungen erfüllt werden, muss der Hersteller sein neues Produkt vor dem Vertrieb auf dem jeweiligen Markt registrieren. In Deutschland ist die Stiftung ear (Elektro-Altgeräte-Register) dafür zuständig und nach dem erfolgreichen Abschluss erhält der Hersteller eine sogenannte WEEE-Registrierungs-Nr. Im Rahmen der Registrierung muss auch eine Garantie hinterlegt werden, so dass bei einer möglichen Insolvenz des letzten Herstellers der Geräteart auch weiterhin eine Rücknahme und Entsorgung sichergestellt ist. Die vergebene Registrierungsnummer muss der Hersteller im Geschäftsverkehr immer mitführen. Zusätzlich ist diese auch im Verzeichnis der Hersteller für jeden einsehbar.

Gibt es denn noch Elektro(nik)-Geräte, die nicht registriert wurden, aber auf dem Markt sind?

Diejenigen sind die sogenannten Trittbrettfahrer. Das ist in der Vergangenheit im großen Stil im Bereich des Online-Handels passiert. Und damit sind die Geräte illegal in Verkehr gebracht worden. Deswegen wurde im Zuge der Novellierung der Gesetzgebung zum Elektro G3, welches zum 1.1. dieses Jahres in Kraft getreten ist, die Marketplace-Haftung integriert. Das heißt also, jetzt haftet der Betreiber des Marktplatzes dafür, wenn bei ihm Produkte angeboten werden, die nicht registriert sind. Das hat dazu geführt, dass die Marketplaces auch eine ganz andere Sensibilisierung dafür entwickelt und schon im letzten Jahr ganz enorm damit begonnen haben, ihre Prozesse zu ändern und zu prüfen. Es wurden allein über 10.000 neue Registrierungen im ersten Jahr für Unternehmen erstellt, bei denen man davon ausgehen muss, das die Mengen vorher illegal in den Verkehr gebracht wurden. Diese Gesetzesänderung war äußerst hilfreich um hier Fortschritte zu erreichen.

Dann sind wir jetzt mit unserem Beispiel „Kühlschrank“ mal am Ende seines Lebenszyklus…

Sagen wir mal, der Kühlschrank ist kaputt und der Besitzer möchte ihn gerne entsorgen. Dann hat er als Bürger jetzt die Möglichkeit zu sagen: Ich bringe ihn entweder zu meinem Wertstoffhof in der Nähe und es landet über die ear beim Hersteller oder aber ich lasse mir einen neuen Kühlschrank liefern. Ich habe einen bestellt, online oder auch stationär und ganz viele Händler nehmen das Altgerät gleich mit. Der Händler hat dann mit einem professionellen Entsorger Verträge, der sich dann um das fachgerechte, sichere Recycling kümmert.

Was ist denn so gefährlich an einem Kühlschrank?

Hier muss man einfach sagen: die älteren Geräte beinhalten noch FCKW, sowohl im Kühlkreislauf als auch in der Isolierung. Es ist also ganz wichtig, dass gerade solche Elektro-Altgeräte entsprechend sauber entsorgt werden und in den richtigen Recyclingprozess gehen. Der Kompressor oder Kühlkreislauf dürfen beispielsweise dabei nicht beschädigt werden, weil sonst das Öl ausläuft oder das Kältemittel. Ebenfalls kann der falsche Umgang mit den Geräten zur Freisetzung des FCKW aus der Isolierung führen.

Welche Sonderabfälle stecken denn in anderen Elektro(nik)- Altgeräten?

In Flachbildschirmen steckt oft Quecksilber in der Hintergrundbeleuchtung und Flammschutzmittel, in Leuchtstoffröhren ebenfalls Quecksilber. Bei Nacht-Speichern sind Asbest und Chrom VI die Themen und bei allen Laptops, Mobiltelefonen und anderen mit Lithium-Ionen-Batterie betriebenen Geräten besteht eine Brandgefahr. Viele Großgeräte beinhalten Kondensatoren, die auch Schadstoffe enthalten können – meist aus älteren Generationen. Teilweise finden wir auch Isolationsmaterialien in Backöfen und Herden, von denen eine Gefährdung ausgehen kann. Denken wir an Drucker, reden wir von Toner, Staub und Ähnlichem. Das sind ja auch durchaus Materialien, die sauber entsorgt werden sollten und nicht in die Umwelt gelangen dürfen.

Wenn wir bei der Schadstoffentsorgung jetzt noch einmal das Thema Kreislaufwirtschaft ins Spiel bringen…

Bei dem Recycling haben wir natürlich nicht nur die sichere Entnahme der Schadstoffe im Fokus, sondern auch im Rahmen der Behandlungsprozesse die Wertstoffe zurück zu gewinnen. Gerade sehr alte Elektro-Geräte haben einen relativ hohen Stahl-Anteil. In moderneren Geräten spielen natürlich auch die Kunststoffe eine zentrale Rolle. Kupfer steckt in Kabeln, Leiterplatten aber auch in Elektromotoren; Aluminium und Edelmetalle, wie Gold, Silber und auch Palladium werden ebenfalls aus Elektrogeräten zurück gewonnen.

Was wünschen Sie sich als ein Vertreter der Elektroschrott-Entsorgung von der Industrie in Zukunft?

Ich finde, Hersteller und Recycler gehören bereits beim Produktdesign an einen Tisch! Denn dann hat man alle Experten: Die einen, die wissen, wie ein Elektro(nik)-Gerät am besten konstruiert wird und den Kundenanforderungen entspricht und auf der anderen Seite diejenigen, die darauf schauen, dass das Produkt wieder möglichst vollständig in Wertstoffe zerlegt und ohne die Umwelt zu belasten in den Kreislauf zurück geführt werden kann. Wir merken in letzter Zeit, dass das Thema insgesamt sehr an Bedeutung gewinnt, nicht nur in der Branche, sondern auch gesellschaftlich und dass die Hersteller in letzter Zeit mehr an gemeinsamen Lösungen interessiert sind als in der Vergangenheit. Hier ist der Gesetzgeber gefragt, um Prozesse zu beschleunigen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Quellen

Alle Angaben ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit