Für Georg Schroeder und den IGV ist es ein besonderes Anliegen, den Einsatz, die Anwendung und Bedeutung von Industriegasen zu thematisieren. (Foto: Georg Schroeder)
Für Georg Schroeder und den IGV ist es ein besonderes Anliegen, den Einsatz, die Anwendung und Bedeutung von Industriegasen zu thematisieren.
Foto: Georg Schroeder

Transport und Entsorgung von Industriegasen „Industriegase sind in vielen Bereichen des Lebens unverzichtbar, dabei aber häufig unsichtbar.“

Von der Lebensmittelindustrie bis zur Schwerindustrie: Industriegase werden in nahezu allen Branchen regelmäßig genutzt. Georg Schroeder vom IndustrieGaseVerband macht im Interview deutlich, wie vielfältig die Einsatzmöglichkeiten der Gase sind und was bei deren Transport sowie Entsorgung beachtet werden muss. Denn auch wenn der größte Teil der Rest-Gase recycelt werden kann, müssen diese sowie ihre Behältnisse bei der endgültigen Entsorgung den Sonderabfällen zugeführt werden – dann gelten spezielle Anforderungen, so der Experte.

Auf der Website des IndustrieGaseVerbandes findet sich das Motto: Wir machen Gase sichtbar. Was steckt hinter diesem Motto und wofür setzt sich der Verband konkret ein?

(Industrie)Gase sind in der Regel nicht sichtbar, nicht greifbar und doch sind sie fast überall gegenwärtig. Nehmen wir nur einmal die Luft, die wir alle täglich atmen als Beispiel: Unsere Luft enthält unterschiedliche Gase, ungefähr ein Fünftel davon ist Sauerstoff. Dieses Gas ist zwar unsichtbar, geruch- sowie geschmackslos – aber trotzdem vor allem eins: Es ist lebensnotwendig. Diese Bedeutung der Gase stellen wir mit dem IGV-Motto in den Mittelpunkt: Wir machen Gase sichtbar.

Dem IGV ist es ein besonderes Anliegen, den Einsatz, die Anwendung und die Bedeutung von Gasen für Menschen, Industrie und Umwelt in den Fokus zu rücken. Wir sehen uns als Netzwerker sowie Ratgeber und vertreten die Interessen aller unserer Mitglieder, die technische und medizinische Gase herstellen, abfüllen, vertreiben oder im Umfeld der Industriegase tätig sind. Seit unserer Gründung 1990 sind wir Mitglied des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) und engagieren uns zusätzlich im europäischen Gaseverband European Industrial Gases Association (EIGA).

Besonders wichtig ist uns in diesem Kontext die Initiative „Verantwortliches Handeln“ der chemischen Industrie, welche tief in den Grundsätzen des VCIs verankert ist, sowie die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Gerade politische Entscheidungen auf nationaler und europäischer Ebenen haben einen großen Einfluss auf unseren Arbeitsalltag, so stehen wir mit unserer Fachexpertise der Politik – ob in Berlin oder Brüssel – sowie der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung. Dabei stehen wir uns Transparenz und Integrität an oberster Stelle, weshalb wir auch die Initiative „Allianz für Lobbytransparenz“ des VCIs und weiterer Verbände mit voller Überzeugung unterstützen.

Georg Schroeder

  • 2007-2009: Ausbildung bei der BG RCI zum Sicherheitsingenieur
  • seit 2003: Zentraler Gefahrgutbeauftragter bei AIR LIQUIDE Deutschland GmbH
  • seit 2004: Mitglied in Expertengruppen des IndustrieGaseVerbands
  • seit 2010: Mitglied des IndustrieGaseVerbandes
  • seit 2011: Leitung Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und Gefahrgutrecht bei AIR LIQUIDE Deutschland GmbH
  • seit 2018:  Sicherheitsbeauftragter für die Luftsicherheit sowie Leitende Sicherheitsfachkraft bei AIR LIQUIDE Deutschland GmbH

Industriegase überzeugen mit Vielfalt

Industriegase erfüllen vielfältige Aufgaben – Könne Sie uns einen Einblick in dieses Spektrum geben? Wofür werden die Gase genutzt?

Diese Frage lässt sich nicht so einfach beantworten, einfacher wäre es zu fragen: Wo werden keine Gase eingesetzt? Die Einsatzmöglichkeiten von Gasen sind vielfältig, denn Gase werden unter anderem in der Lebensmittelindustrie zum Zapfen von Getränken oder Frischhalten von Lebensmitteln oder in der chemischen Industrie als Ausgangsstoffe, Betriebsmittel und als Hilfsmittel zur Inertisierung eingesetzt. Ein weiteres großes Feld ist die Medizin: Hier werden Sauerstoff und unterschiedliche Narkosegase während Operationen verwendet. Darüber hinaus werden große Mengen von Gasen in der metallerzeugenden oder -verarbeitenden Industrie genutzt, damit Werkstoffe die gewünschten Eigenschaften erreichen erreichen und weiter verarbeitet werden können. Hier ließen sich noch unzählige Branchen und einzelne Arbeitsbereiche aufzählen, aber ein besonders großes Thema ist aktuell die Verwendung von Wasserstoff vor allem in der Mobilität oder auch im Bereich Dekarbonisierung.

Besonderheiten der Entsorgung von Industriegasen

Sonderabfall „Gase“ – Wie wird die Entsorgung von Industriegasen gehandhabt? Können Gas-Reste verwertet werden?

Zunächst einmal das Gute vorweg: Die vom Konsumenten rückläufigen Gasflaschen und anderen Gefäße sind kein Abfall, sondern gebrauchsfertige Behälter mit einem Restinhalt, der von Lieferanten zurückgenommen und weiterverwendet wird. Nur in seltenen Fällen müssen undichte Behältnisse entsorgt werden, welche dann ordnungsgemäß in Bergungsdruckgefäßen transportiert und der Entsorgung zugeführt werden. Diese strengen Sicherheitsregeln verhindern, dass beispielsweise giftige oder korrosive Gase beim Handling oder Transport in die Umgebung gelangen. Die Behälter werden wieder dem Wertstoffkreislauf (Stahl oder Aluminium) zugeführt. Sind in diesen Gasflaschen potenziell gefährliche Restgase enthalten, müssen die Behältnisse/Inhalte nach AVV 160504* entsorgt werden.

Im Alltag stellt man sich wahrscheinlich öfter die Frage: Wann ist eine Gasflasche wirklich leer? Haben eventuell in den Flaschen vorhandene „Gas-Reste“ einen Einfluss auf den Transport und müssen größere Mengen gesondert entsorgt werden?

So wirklich leer ist eine Flasche nur, wenn sie „frisch“ aus der Flaschenfertigung kommt, wiederkehrend geprüft oder am Ende ihrer „Lebenszeit“ verschrottet wird. Daher werden Flaschen und Flaschenbündel, die vom Kunden als leer bezeichnet werden, gefahrgutrechtlich als Leere Gefäße 2 kategorisiert. Die Sicherheitsvorgaben sind sowohl bei diesen Flaschen als auch beim Vollgut identisch:

  • Ventil geschlossen und dicht,
  • Ventilschutzeinrichtung vorhanden (Kappe oder Cage),
  • Ladungssicherung und
  • die dauerhafte Belüftung muss gewährleistet sein.

Selbst die Bulk-Flotte aus Tankwagen, Tankaufliegern, Batteriefahrzeugen und MEGC (Multiple-Element Gas Container) fährt nur in den seltensten Fällen mit leeren Behältnissen. Eine komplette Entleerung ist auf dem Kundengelände nicht umsetzbar, da in der Umschließung die Kälte eines kryogenen Bereichs benötigt wird, um einen großen Druckanstieg zu verhindern – daher fahren Fahrzeugeinheiten (fast) immer mit einer Teilbeladung und niemals wirklich leer.

Sicheren Transport gewährleisten

Industriegase sind in der Regel nicht sichtbar, nicht greifbar und trotzdem fast überall gegenwärtig – daraus resultieren hohe Transportanforderungen. Was muss für einen sicheren Transport gewährleistet werden? Welche Bedeutung fällt den Aggregatzuständen in diesem Kontext zu?

Die Anforderungen an die Umschließungen von Gasen sowie deren Transport unterliegen aufgrund verschiedener chemischer Eigenschaften, Temperaturen und unterschiedlicher Druckverhältnisse hohen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen. Dementsprechend haben Behälter für mittels Druck gespeicherten Gasen, einen anderen Aufbau als Behälter für tiefkalt verflüssigte Gase. Alle Transporte in der Gaseindustrie werden nach den Regeln des ADR – dem Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße – durchgeführt, um die Sicherheit aller Beteiligten garantieren zu können.

Apropos Sicherheit aller Beteiligten: Grundvoraussetzung für einen sicheren (ordnungsgemäßen) Transport ist das korrekte Labeln der Gasflaschen. Ist dies auch für den Rücktransport sichergestellt?

Bei jeder Befüllung in den Füllwerken der Industriegase-Branche werden die Label überprüft und bei Erfordernis erneuert. Es muss sichergestellt sein, dass diese auch für den Rücktransport gut erkennbar und direkt sichtbar platziert sind. Daher wird explizit in der Richtlinien zur Durchführung der Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn (RSEB) unter Punkt 5-6 beschrieben, welche Mindestvoraussetzung ein Label bezüglich der Erkennbarkeit von leeren, ungereinigten Flaschen zu erfüllen hat.

Essenziell ist vor allem auch die Sicherstellung der Ladungssicherung beim Transport. Wie sicher ist der Transport der Gasflasche auf dem LKW bzw. was sind grundsätzliche Gefahren?

Bei der Ladungssicherung von Flaschenbündeln oder Gasflaschen in Stahlflaschenpaletten ist stets die Masse und die Formgebung der Verpackung zu berücksichtigen. So wiegt eine 50 Liter Gasflasche beispielsweise etwa 60 bis 70 kg – Größe und Gewicht haben dabei durchaus einen Einfluss auf die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen und sollten nicht unterschätzt werden. Für einen sicheren Transport hat der IndustrieGaseVerband die Broschüre „Ladungssicherung bei der Beförderung von Gasen in Druckgefäßen mit Straßenfahrzeugen“ mit zahlreichen Hinweisen für den sicheren Transport von Druckgasflaschen veröffentlicht. Mit diesem Angebot sowie der weiteren Broschüre – Merkblatt zur Ladungssicherung bei Kleintransporten – steht der IGV seinen Mitglieder und allen Interessierten der Branche unterstützend und informierend zur Seite.

Es gibt unterschiedliche Umschließungsarten in der Klasse 2. Was ist beim Transport der unterschiedlichen Gebinde zu beachten? Und was ist der Unterschied zwischen Flaschenbündel und MEGCs?

Industriegase werden abhängig ihres Anwendungsbereiches in unterschiedlichen Gebinden angeboten. Das schließt die folgenden Bereiche ein:

  • Druckdose mit 1 Liter Volumen
  • Gasflaschen von 1 bis 150 Liter (mit bis zu 300 bar)
  • Flaschenbündel (z. B. 12 Flaschen à 50 Liter und einem Druck von bis 300 bar)
  • Druckfässern
  • Batteriefahrzeuge
  • MEGC (Multiple-Element Gas Container)
  • Tankwagen / Tankauflieger
  • Container

Die Handhabung beim Transport der einzelnen Gebinde erfolgt entsprechend der jeweiligen Konstruktionsmerkmale.

Nach ADR sind Flaschenbündel wie folgt definiert: Ein Druckgefäß, das aus einer Einheit aus Flaschen oder Flaschenkörpern besteht, die aneinander befestigt und untereinander mit einem Sammelrohr verbunden sind und die als untrennbare Einheit befördert werden. Die entsprechende Definition für MEGC lautet: Ein Beförderungsgerät, das aus Elementen besteht, die durch ein Sammelrohr miteinander verbunden sind und die in einem Rahmen montiert sind. Als Elemente eines MEGC gelten Flaschen, Großflaschen, Druckfässer und Flaschenbündel sowie Tanks mit einem Fassungsraum von mehr als 450 Liter. Die beiden Transportmöglichkeiten sehen sich zwar ähnlich, unterscheiden sich aber in den Beförderungsbedingungen. Flaschenbündel zählen zu den Versandstücken und werden deshalb auf der Ladefläche der Transportfahrzeuge ordnungsgemäß verladen und gesichert und erst beim Kunden wieder von der Ladefläche entnommen. Die MEGC sind hingegen Container, welche lediglich mit einer Ladebrücke transportiert werden.

Industriegase im Privathaushalt

Im Fokus unseres bisherigen Interviews standen die Transportanforderungen von Gasflaschen in der Industrie, welche Vorschriften gibt es aber für Privatpersonen oder auch kleine Handwerksbetriebe? Was muss hier beim Transport beachtet werden?

In jedem dieser Fälle gilt selbstverständlich safety first. Dies bedeutet, dass auch bei der Nutzung von Freistellungen bezüglich der Gefahrgutvorschriften gemäß ADR folgende Grundregeln immer beachtet werden sollten:

  • Das Ventil der Gasflasche muss geschlossen sein.
  • Nur dichte Gasflaschen dürfen transportiert werden.
  • Konsequente Nutzung des Ventilschutzes (z. B. Flaschenkappe komplett aufgeschraubt).
  • Ausreichende Ladungssicherung der transportierten Gasflaschen.
  • Keine Lagerung im PKW.
  • Nach dem Transport ist die Flasche unmittelbar aus dem PKW zu entfernen.

Umweltschutz und Nachhaltigkeit bei Industriegasen

Ein großes Thema in der Industriegase-Branche ist der Schutz von Umwelt und Mensch. Wie lässt sich dies umsetzen? Was sind konkrete Nachhaltigkeitsmaßnahmen?

Diese Frage freut natürlich einen Gefahrgutbeauftragten der Industriegasebranche – Warum? Die Umschließungen für Gase sind in der Regel als wiederverwendbare Behälter ausgeführt. Die leeren ungereinigten Gasflaschen/Flaschenbündel/Druckfässer/Kryo-Behälter werden also zum Gaslieferanten zurückgeführt und entsprechend für die Wiederbefüllung hergerichtet – ein sehr nachhaltiges Prinzip.

Vielen Dank für das Gespräch.

Alle Angaben ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit