Mehrere Würfel mit Sprechblasen und ein Würfel mit Kreuz in der Sprechblase, symbolisch: Gegenstimme (Foto: Andrii Yalanskyi (iStock))
Die Lieferkettenrichtlinie stößt in der Entsorgungsbranche auf Kritik
Foto: Andrii Yalanskyi (iStock)

Recht Abfallwirtschaft fordert Ausnahmereglung von der Lieferkettenrichtlinie (CSDDD)

Rückverfolgbarkeit von Abfällen bis zum Ursprungsrohstoff oft unmöglich

In einem Schreiben an die FDP-Fraktion des Bundestages kritisieren Branchenverbände Vorgaben der neuen CSDDD als etwas für sie „rechtlich und tatsächlich Unmögliches“.

Im Dezember 2023 haben sich der Rat der Europäischen Union, Europäisches Parlament und EU-Kommission auf eine neue EU-Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, kurz CSDDD) geeinigt. Im Gegensatz zur Anfang 2023 in Kraft getretenen CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive), die auf die Unternehmensberichterstattung zu Umwelt-, Sozial- und Governence-Themen ausgerichtet ist, zielt die CSDDD konkret darauf, Unternehmen verstärkt zur Einhaltung von Umwelt- und Menschenrechtsstandards entlang der globalen Wertschöpfungsketten zu verpflichten und ökologische Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung und eine transparente Geschäftspraktik zu gewährleisten.

Verpflichtend ist die CSDDD für alle Unternehmen in der EU mit mehr als 250 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro. Unternehmen, die gegen die in nationales Recht umgesetzte EU-Richtlinie verstoßen, sollen mit einem Bußgeld von bis zu fünf Prozent ihres Unternehmensjahresumsatzes belangt werden können.

Im Unterschied zu den Vorgaben des deutschen Lieferkettengesetzes (LkSG), das die unternehmerische Sorgfaltspflicht anhand der vorgelagerten Lieferkette ausrichtet, ist nach CSDDD jetzt die sogenannte Aktivitätenkette maßgeblich. Damit gehen gesetzliche Reglementierungen einher, die seitens der Entsorgungsbranche auf starke Kritik stoßen. In einem Schreiben an die FDP-Bundestagsfraktion forderten deshalb der bsve gemeinsam mit den Verbänden BDE, BDSV und VDM eine gesetzliche Ausnahmeregelung für die Abfallwirtschaft.

Argumentiert wird, dass es Recyclingunternehmen praktisch unmöglich sei, bestimmte Vorgaben des CSDDD zu erfüllen. So könnten angelieferte Abfälle oft eben nicht, wie in der Richtlinie vorgesehen, bis zum Ursprungsrohstoff zurückverfolgt werden, da dafür z. B. von Handwerksbetrieben oder Baufirmen stammende Abfälle oft zu durchmischt und auch von stark divergierender Qualität sind. Zudem wird ins Feld geführt, dass gemischte Abfälle auch schon vor ihrer Entsorgung einer entsprechenden Produktprüfung unterzogen werden müssen (LkSG) und für Produkte, die zeitlich vor dem Inkrafttreten des Gesetzes hergestellt oder auch ohne Prüfung in Verkehr gebracht wurden, jetzt nicht plötzlich das Recyclingunternehmen in die Pflicht genommen werden könne.

Basierend auf dieser Argumentation berufen sich die Verbände in ihrem Schreiben noch auf einen ergänzenden Gesetzes-Passus aus dem Sommer 2021, der besagt, dass von keinem Unternehmen „etwas rechtlich und tatsächlich Unmögliches verlangt werden“ könne (LsKG, §3 Absatz 2 Nummer 2). Aus der Summe dieser Darlegungen ergibt sich die Forderung nach einer praxisnahen Ausnahmeregelung, die inzwischen von der FDP in die politische Entscheidungsfindung eingebracht wurde.

Bundesfinanzminister Christian Lindner und Justizminister Marco Buschmann kündigten inzwischen die Ablehnung der Lieferkettenrichtlinie an, insbesondere aufgrund der bürokratischen Hürden für Unternehmen. Kurz darauf teilte die belgische Ratspräsidentschaft mit, dass die geplante finale Abstimmung der EU-Mitgliedsstaaten erst einmal verschoben ist.

Die Mehrheit der EU-Staaten hat Mitte März nach langen Debatten nun aber einem gemeinsamen europäischen Lieferkettengesetz zugestimmt. Für die Annahme des Gesetzesentwurfs war eine qualifizierte Mehrheit – sprich eine Mehrheit von mindestens 15 Mitgliedstaaten mit einem EU-Bevölkerungsanteil von mindestens 65 Prozent – notwendig. Diese Mehrheit wurde nun auch trotz der Enthaltung Deutschlands erreicht. Der angenommene Gesetzentwurf sieht weniger strenge Regeln vor als der ursprüngliche Entwurf: Das Lieferkettengesetz soll nun für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigen mit einem Jahresumsatz von mehr als 450 Millionen Euro gelten. Zur Gesetzesverabschiedung fehlt bis dato noch die Annahme durch das Europäische Parlament – hier gilt die Mehrheit aber als sehr wahrscheinlich.

Quellen

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