Seit zwei Jahrzehnten wurden in Deutschland nicht mehr so wenige ausgemusterte Fahrzeuge registriert wie heute: Laut Umweltbundesamt erreichte die Zahl der erfassten Altautos im Jahr 2021 mit rund 397.000 den niedrigsten Stand seit 2004. 2022 verzeichnete Statista sogar nur noch etwa 296.000 stillgelegte Fahrzeuge. Die gesetzlich vorgeschriebene Verwertungsquote von 95 Prozent konnte 2021 mit 97,5 Prozent zwar übertroffen werden, in den Vorjahren 2019 und 2020 wurde das Ziel jedoch nicht erreicht. Auch 2022 lag die Gesamtverwertungsrate mit 93,7 Prozent knapp unter der Vorgabe. Wie bereits in den Jahren 2019 und 2020 wird das Verfehlen der Quote im aktuellen Bericht von Umweltbundesamt und Bundesumweltministerium vor allem damit begründet, dass vergleichsweise wenige Restkarossen den Weg in die Schredderanlagen finden – gemessen an der tatsächlichen Zahl der anfallenden Altfahrzeuge.
Hinzu kommen weitere strukturelle und technische Faktoren: Die Trennung und Wiederverwertung der verschiedenen Materialien in modernen Fahrzeugen ist komplex und erfordert fortschrittliche Technologien, die nicht immer effizient genug sind. Zudem muss der Recyclingprozess finanziell tragfähig sein – hohe Kosten für die Sortierung und Aufbereitung der Werkstoffe können dazu führen, dass nicht alle Fahrzeugteile verwertet werden. Auch der zunehmende Export von Altfahrzeugen stellt ein Problem dar: Viele Fahrzeuge werden ins Ausland verkauft, oft in Länder mit weniger strengen Umweltauflagen. Dies erschwert Kontrolle und Nachverfolgung und kann zu niedrigeren Verwertungsquoten führen. Nicht zuletzt sorgen sich stetig ändernde gesetzliche Vorgaben dafür, dass sich die Branche immer wieder auf neue Rahmenbedingungen einstellen muss. Derweil arbeiten Hersteller und Recycler intensiv an Lösungen. So haben Mercedes-Benz und die REMONDIS-Tochter TSR Recycling GmbH & Co. KG eine Absichtserklärung unterzeichnet, um die Kreislaufwirtschaft im Bereich Altfahrzeuge gezielt zu stärken. Ziel des sogenannten „Urban Mining“ ist es, Sekundärrohstoffe wie Stahl, Aluminium, Kunststoffe, Kupfer und Glas aus Altfahrzeugen zurückzugewinnen. Die Partnerschaft soll helfen, den Anteil an Sekundärrohstoffen in Fahrzeugen deutlich zu erhöhen und den Einsatz von Primärressourcen bis 2030 um 40 Prozent zu senken.
Auch auf europäischer Ebene werden neue Impulse gesetzt. Das Europäische Parlament hat kürzlich einen Berichtsentwurf zur Überarbeitung der EU-Altfahrzeugverordnung vorgestellt, der insbesondere das Kunststoffrecycling in der Automobilindustrie stärken soll. Eine zentrale Neuerung betrifft die Rezyklatquoten: Die ursprünglich geplante Vorgabe, ausschließlich Post-Consumer-Rezyklate zu verwenden, wurde erweitert. Nun können auch post-industrielle Rezyklate und Biokunststoffe angerechnet werden. Zudem wurden die Mindestquoten für „open Loop“- sowie „Closed Loop“-Material von jeweils 25 Prozent auf 20 bzw. 15 Prozent gesenkt, um die Umsetzung zu erleichtern. Die Neuregelung soll bereits 24 Monate nach Inkrafttreten angewendet werden – zwölf Monate früher als ursprünglich geplant.
Mit dem wachsenden Anteil elektrischer Fahrzeuge im Straßenverkehr gewinnt ein weiterer Aspekt des Recyclings zunehmend an Bedeutung: das Batterie-Recycling. Denn mit der Elektromobilität steigt auch die Zahl der Lithium-Ionen-Akkus, die eines Tages sicher und effizient entsorgt werden müssen. Gemäß der Altfahrzeugverordnung sind Hersteller verpflichtet, ihre Fahrzeuge – einschließlich der Batterien – am Ende des Lebenszyklus kostenlos zurückzunehmen und fachgerecht zu entsorgen. Ergänzend dazu regelt das Batteriegesetz die Handhabung von Fahrzeugbatterien, die als Industriebatterien gelten. Hersteller müssen diese Batterien kostenfrei zurücknehmen und verwerten, können diese Verantwortung aber auf Vertreiber, Behandlungseinrichtungen oder Entsorger übertragen, sofern entsprechende Vereinbarungen bestehen.
In Deutschland existieren bereits bewährte Strukturen für die fachgerechte Entsorgung von Elektrofahrzeugen, einschließlich der komplexen Demontage von Lithium-Ionen-Batterien. Dennoch besteht bei besonders herausfordernden Fällen, etwa bei beschädigten Akkus, weiterhin Verbesserungsbedarf. So bedarf es klar definierter Zuständigkeiten und standardisierter Prozesse, um die Sicherheit aller Beteiligten zu gewährleisten. Zusätzlich stellt der Transport dieser Batterien als Gefahrgut besondere Anforderungen an Verpackung, Logistik und geschultes Personal. Um die Sicherheitsstandards weiter zu erhöhen, entwickelt die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) derzeit eine Klassifikation von Antriebsakkus nach Gefahrenpotenzial und erforscht potenzielle Schadstofffreisetzungen bei Unfällen. Ziel ist es, bestehende Verfahren weiter zu optimieren, Risiken besser zu bewerten und die Entsorgung von Elektrofahrzeugen zukunftssicher zu gestalten.
Quellen
- Umweltbundesamt und Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz: Jahresbericht über die Altfahrzeug-Verwertungsquoten in Deutschland im Jahr 2022
- Umweltbundesamt: Altfahrzeugverwertung und Fahrzeugverbleib
- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz: Abfallwirtschaft in Deutschland 2023
- Euwid: Deutschland verfehlt erneut das Verwertungsziel für Altfahrzeuge
- Hüthig Medien: Was ändert sich bei der EU-Altfahrzeugverordnung?
- Recycling Magazin: Stellungnahme von BDSV, bvse und VDM zur Neuregelung der EU-Altfahrzeugverordnung
- Sonderabfallwissen: Entsorgung von E-Autos: Wer trägt die Verantwortung?
- Mercedes Benz Group: Mercedes-Benz will mit „Urban Mining“ die Kreislaufwirtschaft vorantreiben