(Foto: Kittisak-Kaewchalun (iStock))
Foto: Kittisak-Kaewchalun (iStock)

Transport von gefährlichen Gütern und Sonderabfällen 33. Münchner Gefahrguttage

Vom 15. bis 17. Mai gab es bei den 33. Münchner Gefahrgut-Tagen geballtes Wissen für alle Praktikerinnen und Praktiker und regen Austausch am Rande der Vorträge. Redaktion Sonderabfallwissen war vor Ort dabei und berichtet hier vor allem über die Themen, die den Umgang mit gefährlichen Abfällen betreffen.

  • Unter dem Motto „Verknüpfung von fundiertem Wissen und probierter Praxis“ hörten 150 Teilnehmende Vorträge zu rechtlichen Grundlagen sowie Spezialthemen aus See-, Luft- und Güterverkehr.
  • Drei verschiedene Themenforen zu Sonderregelungen bei Gasen, Unterrichtung von Gefahrgutbeauftragten und ein Seminar zur Klassifizierung für Einsteiger rundeten den Kongress fachlich ab.
  • Ein sicherer Transport von Gefahrstoffen kann nur gewährleistet sein, wenn Gefahrgutbeauftragte ausreichend weitergebildet werden, diese ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen regelmäßig schulen und im Rahmen von eindeutigen rechtlichen Grundlagen agieren können.
  • Die jährlich stattfindenden Münchner Gefahrguttage leisten hierzu einen erheblichen Beitrag: einerseits mit der Expertise hochkarätiger Referenten und Referentinnen und andererseits mit der Möglichkeit für Diskussion und fachlichen Austausch.

150 Experten und Expertinnen waren in die bayrische Hauptstadt gekommen, um dem Motto der Veranstaltung „Verknüpfung von fundiertem Wissen und probierter Praxis“ alle Ehre zu machen. Obgleich die drei vollgepackten Konferenztage den Teilnehmenden viel Konzentration abverlangte, war die Resonanz zu Themen und Organisation des Süddeutschen Verlags hervorragend und bis zum letzten Seminar am Mittwochnachmittag gut besucht. Der Auswahl hochkarätiger Referenten und Referentinnen und der Bandbreite der Themen war es vermutlich zu verdanken, dass sich alle Gefahrgutbeauftragten hier über ihren Wissensstand hinaus gezielt weiterbilden konnten.

Schwerpunkt Recht: Auswirkungen der Änderung für 2023 auf die nationale Umsetzung

Souverän beleuchtete Jörg Holzhäuser vom Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz in Auszügen die Neuerungen in GGVSEB, GGAV, GbV, RSEB und anderen Verordnungen. Alle Vorschriften für die internationale Beförderung gefährlicher Güter des ADR (für die Straße), RID (für die Eisenbahn) und ADN (für die Binnenschifffahrt) sind in den vergangenen Jahren hinsichtlich der multimodalen Vorschriften weitestgehend harmonisiert worden. Der Bundesrat hat der 14. Verordnung zur Änderung gefahrgutrechtlicher Verordnungen am 26. Juni 2023 zugestimmt.

Die Verordnung beinhaltet die notwendigen nationalen Änderungen in der Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt (GGVSEB) (Artikel 1), der Gefahrgut- Ausnahmeverordnung (GGAV) (Artikel 2), der Gefahrgutbeauftragtenverordnung (GbV) (Artikel 3) und der Gefahrgutkostenverordnung (GGKostV) (Artikel 4).Verkündet werden alle Änderungen auf der Plattform des Bundesgesetzblattes. Viele Änderungen betreffen Formulierungen, sind Präzisierungen von Wortlauten und leisten Vereinfachungen für alle Anwender und Anwenderinnen dieser Rechtsgrundlagen.

Den Transport von gefährlichen Abfällen betreffen exemplarisch genannt hier drei folgende Beispiele, die in der Anlage zur 29. ADR-Änderungsverordnung (22.11.22) seit 1. Januar 2023 gelten:

Bestellung eines Gefahrgutbeauftragten
Diese muss nun – im Gegensatz zur bisherigen Regelung – auch in Unternehmen erfolgen, die an der Beförderung gefährlicher Güter lediglich als Absender beteiligt sind.

Transport von Lithium-Ionen-Batterien zum Recycling
In der Sondervorschrift (SV) 676 wurde folgende Formulierung durch den letzten Nachsatz erweitert.„Für die Beförderung von Versandstücken, die polymerisierende Stoffe enthalten, müssen die Vorschriften der Sondervorschrift 386 (ADR) in Verbindung mit den Unterabschnitten 7.1.7.3 und 7.1.7.4 sowie den Absätzen 5.4.1.1.15 und 5.4.1.2.3.1“ nicht angewendet werden, wenn sie zur Entsorgung oder zum Recycling befördert werden, vorausgesetzt, folgende Vorschriften werden eingehalten:

  • vor der Verladung hat eine Prüfung ergeben, dass es keine signifikante Abweichung der Außentemperatur des Versandstücks zur Umgebungstemperatur gibt,
  • die Beförderung erfolgt innerhalb eines Zeitraums von höchstens 24 Stunden nach dieser Prüfung,
  • die Versandstücke sind während der Beförderung vor direkter Sonneneinstrahlung sowie vor der Einwirkung anderer Wärmequellen (z. B. zusätzliche Ladungen, welche über Umgebungstemperatur befördert werden) geschützt,
  • die Umgebungstemperaturen während der Beförderung betragen weniger als 45 °C,
  • Wagen/Fahrzeuge und Container sind ausreichend belüftet,
  • die Stoffe sind in Versandstücken mit einem Fassungsraum von höchstens 1000 Litern verpackt.

Schätzung von gefährlichen Abfallmengen vor dem Transport

Innerhalb der 5.4.1.1.3 Sondervorschriften für Abfälle wurde ein neuer Unterpunkt (2) eingefügt.
Sollte am Verladeort keine Möglichkeit bestehen, die genauen Mengen der Abfälle zu messen, ist eine Schätzung unter folgenden Bedingungen möglich:

  • Mitgabe einer Liste der Verpackungen mit Angabe des Typs und des Nennvolumens
  • Schätzung auf der Grundlage ihres Nennvolumens und anderer verfügbarer Informationen (z. B. Art des Abfalls, durchschnittliche Dichte, Füllungsgrad) bei Containern
  • Saug-Druck-Tanks für Abfälle: Schätzung begründen (z. B. durch eine vom Absender zur Verfügung gestellte Schätzung oder durch die Ausrüstung des Wagens/Fahrzeugs).

Eine Schätzung der Menge ist nicht zugelassen für:

  • Freistellungen, für die eine genaue Menge entscheidend ist (z. B. 1.1.3.6),
  • Abfälle, welche die in Absatz 2.1.3.5.3 genannten Stoffe und/oder Stoffe der Klasse 4.3 enthalten andere Tanks als Saug-Druck-Tanks für Abfälle.

In die Beförderungspapiere gehört dann der Vermerk: „IN ÜBEREINSTIMMUNG MIT ABSATZ 5.4.1.1.3.2 GESCHÄTZTE MENGE“. Hier auf Sonderabfallwissen finden Sie auch weitere wesentliche Änderungen.

Schwerpunkt Industriegase und gasförmige Sonderabfälle

Die Münchner Gefahrgut-Tage wären nicht bekannt für die praxisnahen Themen, wenn es nicht auch Fragen aus dem alltäglichen Umgang mit Gefahrstoffen und Sonderabfällen, die zum Transport vorbereitet werden, gäbe. Antworten darauf gibt Jörg Holzhäuser, wie am Beispiel der Gasflaschen: Wann gilt eine Gasflasche als leer und ungereinigt? Welche Restdrücke sind in der Praxis üblich und wie wird in der Praxis zwischen „leer und ungereinigt“ und „teilentleert“ unterschieden? Gibt es Unterschiede zwischen den verschiedenen Gasen?

Bei Gasflaschen ist der Restdruck für „leer“ für 1 bar definiert. Restdrücke können zwischen vollständig leer (1 bar) und voll (z. B. 200 bar) liegen. Ein Restdruck seitens der Gase-Firmen wird gewünscht, um Verunreinigungen zu vermeiden. Wird ein Restdruckventil genutzt, bleiben zwischen1,5 bis 5 bar Restdruck in der Flasche. Flaschen mit medizinischen Produkten, wie medizinischer Sauerstoff, werden meist mit höherem Restdruck z. B. 50-70 bar zurückgebracht (Produktsicherheit). Schweißschutzgase werden häufig bis zum letzten Produkt entleert.

Ein Plenum der Konferenz vertiefte das Thema im Besonderen: Unter dem Titel „Sonderregelung Gase… eine Klasse für sich… oder doch nicht?“ informierten Gerhard Lahmann, Leiter Gefahrgutmanagement und Transportadministration bei der Westfalen AG sowie Georg Schroeder, Leiter der Arbeitssicherheit bei AIR LIQUIDE Deutschland GmbH auf unterhaltsame Art im Zwiegespräch zu Umschließungsarten, Kennzeichnungsvorschriften, Ventilschutz und Belüftung. Wussten Sie, dass auch Kohlensäure Gefahrgut ist und ein Tankfahrzeug eigentlich wie eine „überdimensionale Thermosflasche“ konstruiert wurde?

Mehr zu Gasen als Gefahrgut erfahren Sie im Interview mit Georg Schroeder vom IndustrieGaseVerband, den wir in München dazu befragt haben.

Schwerpunkt Wertstoffhof, Schadstoffmobil und Fachkraft TRGS 520

Wie wichtig es ist, dass gerade auf Wertstoffhöfen und Schadstoffmobilen Fachkräfte arbeiten, die nach TRGS 520 geschult wurden, verdeutlicht Bernhard Jäger, selbst Chemiker und Geschäftsführer bei GEFAHRGUT JÄGER. Denn die Anlieferung von Schadstoffen vielfältiger Art auf Wertstoffhöfen erfolgt durch nicht geschulte Privatpersonen, die Inhalte der Behältnisse sind meist unbekannt und überlagert.

Jäger kennt Zahlen: Rund 22 Prozent aller angelieferten Abfälle aus Privathaushalten kommen ohne Angaben zum Inhalt. Die Fachkräfte vor Ort wissen das, müssen überlegt handeln und vor allem die Abfallart analysieren und korrekt nach GefStoffV sortieren. Hierbei verlangt es zum einen toxikologisches Wissen, denn starke Laugen und Säuren reagieren auf verschiedene Einflüsse (Erschütterung, Vermischung, Oxidation). Oft sind bei Schadstoffmobil-Sammlungen auch die Mengen erheblich. Als Beispiel nennt Jäger einen öffentlich-rechtlichen Betrieb in NRW, der gefährliche Abfälle in einer Gesamtmenge von 2 Tonnen erfasst hatte, und das in einem Sammelzeitraum von ca. 1,5 Stunden.

Am häufigsten werden Spraydosen, Reiniger, Druckgaspatronen, Farben, Lacke, Öl und Schädlingsbekämpfungsmittel aus Privathaushalten angeliefert. Wussten Sie, dass die Mittel gegen Wühlmäuse zu den gefährlichsten Abfällen gehören, weil sie Calciumcarbid und Calciumphosphid enthalten? Dies und viele andere Aspekte werden bei der Ausbildung zur Fachkraft TRGS 520 vermittelt.

Jäger macht in seinem Vortrag auf die hohe Bedeutung der Schulung aufmerksam und mahnt zur ständigen Unterweisung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dass selbst Leinölsamen gefährlich sind und Cyanide, Pikrinsäure, Salpetersäure, Flusssäure und radioaktiv belastete Obstschalen in Haushalten gefunden wurden, zeigt die Dringlichkeit der Ausbildung.

Spannende Spezialthemen aus See-, Luft- und Güterverkehr

Über den Tellerrand lohnt es sich stets zu schauen, denn Gefahrgutbeauftragte stellen nicht nur Beförderungspapiere aus und deklarieren Transportbehälter. So berichtete beispielsweise, hier aus zahlreichen Vorträgen genannt, Dr. Fabian-Alexander Polonius über die zukunfsorientierte Gefahrgutorganisation, das Änderungs- und Transformationsmanagement bei Mercedes Benz und seine Auffassung von neuen Arbeitsmodellen, das flexible Reagieren in Ausnahmesituationen des Automobilherstellers.

Über die Sicherheit des Seeverkehrs bei der Beförderung gefährlicher Güter mit Schiffen als Sonderfall und die Herausforderungen der Zukunft sprach Darius Alexander Kardas, Gefahrgutbeauftragter bei der MDRK Trusted Adviser Group.

Ein wichtiges Thema durfte bei den Münchner Gefahrguttagen aber auch nicht fehlen, der Umgang mit Lithiumbatterien. Zu den Grundlagen für eine sichere und vorschriftskonforme Beförderung sprach Jürgen Werny, Geschäftsführer des gleichnamigen Ingenieurbüros. Neben der drastischen Darstellung zur Gefährlichkeit der Lithium-Ionen-Batterien als Abfall, gab er einen Überblick zu den weltweit harmonisierten Vorschriften und zeigte noch einmal das Klassifizierungssystem über die verschiedenen Transportvarianten auf. Die Natrium-Ionen-Batterie sieht Werny als Hoffnungsträger und als mögliche Rohstoffalternative, gerade für den Einsatz in der Automobilindustrie.

Quellen

Alle Angaben ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit