Digitalisierung in der Abfallwirtschaft (Foto: ipopa, iStock) (Foto: ipopa (iStock))
Zur Digitalisierung der Abfallwirtschaft gehört mehr als nur das elektronische Nachweisverfahren.
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Entsorgungsbranche Digitalisierung in der Abfallwirtschaft

Die digitale Transformation verändert das Gesicht zahlreicher Branchen. So sieht sich auch die Abfallwirtschaft mit den Herausforderungen des digitalen Wandels konfrontiert. Unter dem Schlagwort Kreislaufwirtschaft 4.0 verfolgen immer mehr Entsorgungsunternehmen digitale Strategien, die die Kommunikation mit Kunden erleichtern, Prozesse vereinfachen und Abläufe effizienter gestalten sollen. Sonderabfallwissen fasst den derzeitigen Stand der Digitalisierung in der Abfallwirtschaft zusammen und beleuchtet Vorteile und Chancen.

  • Der Status und die Gestalt der Digitalisierung in deutschen Entsorgungsunternehmen ist aktuell sehr heterogen. Von einer ganzheitlichen Entwicklung in der Abfallwirtschaft kann derzeit keine Rede sein.
  • Die Digitalisierung ermöglicht Vereinfachung und Effizienz in unterschiedlichen Arbeitsprozessen. Dies betrifft u. a. technologische und forschungsorientierte Aufgaben, aber auch administrative und rechtliche Aspekte.
  • Die Chancen der Digitalisierung wahrzunehmen, ist erstens eine Anpassung an die aktuelle Marktentwicklung und kann zweitens einen Wettbewerbsvorteil in der Entsorgungsbranche fördern.

Was bedeutet Digitalisierung in der Abfallwirtschaft?

Bereits bei der im Jahr 2016 durchgeführten NETWASTE-Studie gab ein Großteil der befragten Branchenakteure an, dass die Bedeutung der Digitalisierung für die Abfallwirtschaft in den nächsten Jahren enorm zunehmen wird. Doch während zu diesem Zeitpunkt noch Faktoren wie Online-Auffindbarkeit und die Präsenz in sozialen Medien als wichtige Gradmesser für den Stand der Digitalisierung galten, hat sich das Bild inzwischen stark gewandelt.

Entscheidend sind heute ganz konkrete digitale Lösungen für das Management und die Durchführung aller notwendigen Schritte rund um die Entsorgung. Das reicht von der Erstellung elektronischer Rechnungen über die papierlose Auftragsdurchführung bis hin zu einer Reihe von Aufgaben im Rahmen des Kundenmanagements. Ziele sind zum einen Zeit- und Kosteneinsparungen und zum anderen die Vernetzung aller Beteiligten im Logistikprozess.

Dabei offenbaren sich allerdings deutliche Unterschiede beim Grad der Digitalisierung, je nach Größe des Entsorgungsunternehmens. Konzerne und große Mittelständler etwa verfolgen bereits ambitionierte Digitalprojekte, die sich Künstlicher Intelligenz bedienen und so bspw. das differenziertere Sortieren von Plastikverpackungen ermöglichen oder die Abfalltrennung beschleunigen. Dem gegenüber stehen mittelgroße und kleine Entsorger, bei denen die ausschließlich interne Nutzung digitaler Möglichkeiten, etwa für die Fahrzeugortung und für einfache Flottenmanagement-Lösungen, den aktuellen Stand der Dinge abbilden.

Wie digital ist die Abfallwirtschaft?

Eine aktuelle Befragung der Universität Oldenburg in Zusammenarbeit mit dem Tech-Unternehmen Resourcify unter privaten Entsorgern zum Stand der digitalen Transformation in der Abfallwirtschaft ergab, dass zwar kein eklatantes Auseinanderdriften von digitalen und analogen Entsorgern zu verzeichnen ist, sich allerdings die Intensität der digitalen Bemühungen deutlich unterscheidet. Von einer ganzheitlichen Entwicklung in der Abfallwirtschaft kann derzeit also keine Rede sein. Lediglich das elektronische Nachweiswesen (eANV) für gefährliche Abfälle, das als gesetzlich vorgeschriebenes System seit Jahren reibungslos funktioniert, kann als Ausnahme gelten. Die Internationalisierung des Systems (vorerst EU-weit) stagniert jedoch seit Langem.

Die zögerliche Umsetzung von Digitalstrategien hat unterschiedliche Gründe: Die für Digitalisierungsprojekte notwendigen Investitionen stellen kleine wie große Unternehmen gleichermaßen vor Herausforderungen. Daneben spielen die Faktoren Zeit und Personal für Digital-Initiativen eine bedeutende Rolle. Gerade kleine Unternehmen machen hier eher Abstriche und warten darauf, dass Kunden nach digitalen Angeboten fragen, bevor sie selbst aktiv werden. Hinzu kommen technische Hemmnisse, wie das Fehlen einer geeigneten Infrastruktur, bspw. entsprechende Anwendungsprogrammierschnittstellen („application programming interfaces“, kurz API) sowie wenig kundenfreundliche Software. Auch schätzen einige Entsorger die digitale Kompetenz ihrer Mitarbeiter als noch nicht ausreichend ein.

Potenziale digitaler Transformation

Dass die Digitalisierung der Kreislaufwirtschaft wichtig und notwendig ist, zeigt sich in vielfältigen Kontexten. Besonders im Sinne der globalen Bemühungen um mehr Klimaschutz sind Innovationen in der Abfallwirtschaft gefragt. Darauf verwies Bundesumweltministerin Svenja Schulze bereits 2018 in ihrer Eröffnungsrede zur IFAT (Weltleitmesse für Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft) nachdrücklich. Auch Naemi Denz, Geschäftsführerin des VDMA-Fachverbands Abfall- und Recyclingtechnik prognostiziert den verstärkten Einsatz digitaler Mess- und Analysegeräte, die ein passgenaues Design von Sekundärrohstoffen ermöglichen.

Konkrete Anstrengungen existieren bereits, so etwa in Gestalt des Projekts HolyGrail des Verbands PETCore Europe, bei dem unsichtbare digitale Codes mit Informationen zu Material und konkreter Nutzung auf Plastikverpackungen gedruckt werden. In der Sortieranlage lesen entsprechende Scanner die Informationen aus.

Auch der Einsatz Künstlicher Intelligenz wird sich in vielen Bereichen etablieren, z. B. innerhalb von Robotiksystemen zur Abfalltrennung. Aber auch im Rahmen der Kundenkommunikation kann intelligente Software Abläufe vereinfachen, so etwa bei der Optimierung von Lieferzeiten, der Preisrecherche oder der Übernahme von Korrespondenz.

Daneben helfen digitale Systeme bei der effizienteren und übersichtlicheren Gestaltung von administrativen Prozessen. Relevant für Entsorgungsbetriebe aller Größenordnungen ist das spätestens seit Inkrafttreten der novellierten Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV) im August 2017. Sie schreibt vor, dass die Dokumentation, inklusive sämtlicher Nachweise für gewerbliche Siedlungsabfälle, elektronisch übermittelt werden muss. Wer dieser digitalen Vorlagepflicht nicht nachkommt, muss mit Bußgeldern rechnen. Mit der digitalen Datenübermittlung entfällt die bisher übliche Praxis des Sammelns von Belegen und des manuellen Ausfüllens von Tabellen – ebenso wie große Mengen an Papierdokumenten.

Politische Unterstützung für die Abfallwirtschaft 4.0

Wichtig für den reibungslosen digitalen Ablauf sei „eine gemeinsame Sprache“ in den Unternehmen, so Peter Kurth, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE). Damit referiert er auf die Notwendigkeit einheitlicher Standards in der digitalen Kommunikation, insbesondere gut aufeinander abgestimmter Schnittstellen. Der BDE selbst arbeitet bereits an einer solchen Schnittstelle zum Austausch auftragsbezogener Leistungsdaten (AvaL), die das vernetzen unterschiedlicher Systeme vereinfachen soll.

Um die Abfallwirtschaft 4.0 weiter voranzutreiben, sind nicht zuletzt Anstrengungen seitens der Politik gefragt. Ihre Aufgabe bestehe vor allem darin, für Chancengleichheit zu sorgen, so Monika Tonne, Vorständin der Couplink Group AG. Das betreffe zum einen die finanzielle Förderung kleinerer und mittlerer Unternehmen. Hier wurde bereits in Form eines Sonderprogramms der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) reagiert. Es stellt 1,5 Millionen Euro für grüne Start-ups mit Schwerpunkt Digitalisierung zur Verfügung, deren Innovationen zur Erreichung der Umweltziele im Rahmen der Agenda 2030 und damit auch zu einer effizienteren Kreislaufwirtschaft beitragen. Daneben sei es entscheidend, so Tonne, dass die Politik Aufklärungsarbeit unter den Entsorgern leiste und möglichst praktisch demonstriere, wie die Digitalisierung in der Abfallwirtschaft umgesetzt werden kann. Das könnten etwa Best-Practice-Beispiele und Pilotprojekte leisten.

Wettbewerbsvorteil per Digitalisierung

Digitale Lösungen für die Entsorgungsbranche sind bereits für unterschiedlichste Bereiche der Abfallwirtschaft erhältlich und bieten damit einen guten Zugang für Entsorgungsunternehmen, die bisher den Einstieg in die Digitalisierung noch nicht gewagt haben, aber auch für jene, die sich noch besser strukturieren und organisieren wollen.

Die Vorteile des digitalen betrieblichen Abfallmanagements liegen dabei auf der Hand: Effizienz, Zeitersparnis sowie Rechtskonformität. Per Software-Lösungen abdecken, lassen sich bspw. Auftragserstellung, Behälterverwaltung, Termin- und Tourenplanung sowie Abrechnung, Echtzeitauswertung und die Zuordnung von Nachweisen zu Aufträgen in Erfüllung der GewAbfV.

Gut überlegen sollten sich Entsorger im Vorfeld, welche Funktionen für sie relevant sind bzw. welche Bedürfnisse sie erfüllt sehen wollen. „Während eines Entsorgungsauftrags können bis zu 60 mögliche Prozessschritte entstehen.“, so Digitalisierungsfachmann Christoph Buss von Resourcify. Möglichst viele davon sollten in einer entsprechenden Software umsetzbar sein

Ein weiteres wichtiges Kriterium stellt die einfache Bedienung dar. Benutzerfreundlichkeit ist schließlich sowohl seitens des Entsorgers als auch der Kunden wünschenswert. Sind all diese Kriterien erfüllt, stellen digitale Lösungen einen wichtigen Wettbewerbsvorteil für die Entsorger dar.

Quellen

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