Feuerwehr im Einsatz (Foto: VAKSMANV, iStock) (Foto: VAKSMANV (iStock))
Rettungskräfte und Dienstleister benötigen für die Bergung von E-Autos neue Lösungen.
Foto: VAKSMANV (iStock)

Infrastruktur für Elektromobilität Klimaschutz-Lösung Elektroauto: Wenn Entsorgung zur Herausforderung wird

Die weltweit geführte Klimaschutzdebatte rückt die Elektromobilität zunehmend in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Die Herstellung von Elektrofahrzeugen, die in den vergangenen Jahren vor allem durch die Politik gefördert wurde, beschleunigt Prozesse in der Mobilitätsbranche und soll so zur Umsetzung vereinbarter Klimaschutzziele führen. Nicht nur die Bundesregierung, auch Deutschlands Automobilbranche verliert dabei vor allem eines aus den Augen – die Entsorgung. Sonderabfallwissen stellt in seiner dreiteiligen E-Mobilitäts-Reihe die Aspekte Infrastruktur, Technologie und Rechtsgrundlage auf den Prüfstand.

  • Design for Recycling – Die Öko-Design-Strategie, die eine Entsorgung schon bei der Entwicklung neuer E-Fahrzeuge berücksichtigt, findet bei Herstellern nicht ausreichend Anwendung.
  • Die Bergung eines verunfallten E-Fahrzeugs ist für Rettungskräfte und Dienstleister eine enorme Herausforderung. Begründet liegt dies in fehlenden oder uneindeutigen Rechtsvorschriften sowie einem Mangel an Equipment und praktischer Erfahrung.
  • Aufgrund der verbauten Hochvoltbatterien, die in der Regel Lithium enthalten, stellen E-Fahrzeuge ein besonders hohes Risiko in Unfallsituationen dar. Lithium-Ionen-Akkumulatoren sind leicht entflammbar und explosionsgefährdet. Das Löschen einer brennenden E-Auto-Batterie kann u. U. tagelang dauern, da die chemischen Reaktionen nur langsam abklingen.
  • Der Transport und die Lagerung eines verunfallten E-Fahrzeugs ist mit Gefahren verbunden, die rechtlich abgesichert werden müssen. Die Lagerung defekter E-Fahrzeuge auf herkömmlichen Schrottplätzen ist Betreibern oft zu riskant und eine Entsorgungslösung für die verbaute Lithium-Ionen-Batterie wird häufig ebenso wenig angeboten.

Die Anfänge der Elektromobilität

Obwohl der Beginn der Elektromobilität auf die dreißiger Jahre des 19.Jh. zurückgeht, erlebt das Elektroauto erst seit wenigen Jahren einen mächtigen Aufschwung. Ein Grund dafür ist die Intensivierung der Klimadebatte, die auf weltpolitischer Ebene Fahrt aufgenommen hat. Die deutsche Bundesregierung investiert bis zu 75 Mrd. Euro in die Verkehrswende. Schlagendes Argument, um das Vorhaben voranzutreiben, ist die Vermeidung von CO₂-Emissionen durch elektrisch angetriebene Fahrzeuge. Finanzielle Förderungen in Forschung und technische Weiterentwicklung tragen somit zum Vormarsch der Elektromobilität bei.

In der Automobilbranche stellt sich ein Umdenken ein, nicht zuletzt weil gesetzliche Regularien es ihr vorschreiben. So wird in den Think Tanks der großen Automobilhersteller an neuen technischen Lösungen für E-Autos gefeilt, um sie verbraucherfreundlicher zu gestalten und ihre Reichweiten zu erhöhen. Ingenieure stecken ihr gesamtes Know-how in die Produktentwicklung. Sie planen, testen und optimieren, um den Käufern am Ende Leistung und Sicherheit bieten zu können.

Herstellung versus Entsorgung

Bei allem Fortschritt und Enthusiasmus wird ein Vorgang viel zu häufig vergessen – nämlich der der Entsorgung der Fahrzeuge. Hersteller entwicklen ihre Modelle mit Fokus auf den Gebrauch und verlieren dabei häufig aus den Augen, dass ihre Produkte eine begrenzte Lebensdauer haben. Die Öko-Design-Strategie, auch bekannt als das „principle of material design for recycling“, findet noch immer viel zu wenig Anwendung in der Entwicklung von neuen E-Fahrzeugen.

Laut des Prinzips sollen E-Autos im Sinne eines problemlosen Recyclings gestaltet werden. Dies schreibt u. a. die vereinfachte Demontage des Fahrzeugs und den Einsatz von Materialien vor, die bei der Verwertung leicht voneinander trennbar sind. Das Verbauen eines mehrere Kilogramm schweren Lithium-Ionen-Akkus ist im Hinblick auf die Entsorgung ein zusätzliches Problem. Sowohl Design als auch Materialien der auf dem Markt erhältlichen Elektrofahrzeuge stellen alle Dienstleister der Entsorgungskette vor große Herausforderungen.

Diese sind auf struktureller, technischer und rechtlicher Ebene gleichsam zu verorten und alle damit einhergehenden Fragen bleiben bisher nahezu ungeklärt. Sonderabfallwissen untersucht in seiner dreiteiligen Reihe den Status quo der Elektromobilität.

Unfälle von Elektrofahrzeugen

Die Komplett-Entsorgung eines defekten E-Fahrzeugs, z. B. verursacht durch einen Unfall, kann für Fahrer und alle an der Entsorgung Beteiligten zu einem Horrorszenario werden. Das zeigt folgendes, in den Medien viel diskutierte Beispiel:

Im Oktober 2019 verunfallte der Österreicher Dominik F. mit einem E-Auto. Das Fahrzeug brannte in nur kurzer Zeit vollständig aus. Übrig blieb ein verbranntes Wrack mit einer 600 kg schweren Lithium-Ionen-Batterie. Feuerwehr, Polizei, Abschleppdienst und Entsorger handelten in vielen Fragen eher intuitiv als auf Grundlage von Erfahrungswerten. Denn diese sind (noch) nicht vorhanden. Ebenso wenig wie eindeutige Regelungen und Lösungen, die diesen ‚Spezialfall‘ beschreiben und regeln.

  • Wie wird ein elektronisch angetriebenes Fahrzeug im Brandfall kontrolliert gelöscht?
  • Welche Maßnahmen schützen alle Beteiligten vor Komplikationen, z. B. einer möglichen Explosion der Lithium-Ionen-Batterie?
  • Wie wird ein verunfalltes und/oder beschädigtes E-Auto sicher abtransportiert?

Das sind nur einige der Fragen, die sich Dienstleister in diesem Falle stellen. Der österreichische Fahrer des E-Autos wendete sich bezüglich der Entsorgung der Lithium-Ionen-Batterie auch an den Hersteller des Fahrzeugs. Nach mehr als einem Monat und unter Druck der öffentlichen Aufmerksamkeit, handelte dieser viel zu spät und kümmerte sich schließlich um das Recycling der Batterie.

Personenbergung aus einem verunfallten E-Auto

Der Umgang mit einem beschädigten E-Fahrzeug stellt Rettungskräfte und Dienstleister am Unfallort vor Herausforderungen. Das größte Problem ist die im Fahrzeug integrierte Hochvoltbatterie und die im Auto verlegten Kabel, die bis zu 600 V Strom leiten. Um Personen aus dem Fahrzeug zu bergen, muss sich die Feuerwehr Zugang zum Innenraum des Wagens verschaffen, dass u.U. unter Spannung steht.

Nicht nur sind die wenigsten Feuerwehren mit dem dafür notwendigen Equipment ausgerüstet, auch besteht für Rettungskräfte die Gefahr, Stromschläge oder Verbrennungen zu erleiden, die im schlimmsten Fall zu Herz-oder Atemstillstand führen können. Gummierte Demontagewerkzeuge oder Elektrohandschuhe fehlen meist und auch spezielle Schulungen für den Umgang mit den unterschiedlichen Elektrofahrzeugtypen sind in vielen Einrichtungen noch nicht Standard.

Umgang mit einem verunfallten E-Auto

Neben der Bergung der Personen, stellt auch das Fahrzeug selbst ein hohes Risiko dar. Lithium-Ionen-Akkumulatoren sind leicht entflammbar und können vor allem bei Beschädigung explodieren. In einer Unfallsituation werden die Rettungskräfte daher nicht selten wegen eines Brandes hinzugerufen. Doch wie ist eine Lithium-Ionen-Batterie zu löschen?

Die Einsatzkräfte greifen in erster Linie zu Wasser oder Schaum. Für das Löschen eines brennenden E-Autos werden in etwa 11.000 l Wasser benötigt. Herkömmliche Löschfahrzeuge der Feuerwehr führen etwa 2.000 l Wasser mit sich. Dies stellt ein enormes Ressourcenproblem dar. Außerdem reagiert Lithiumhexafluorophosphat mit Wasser zu Flusssäure, die für Mensch und Umwelt hochgiftig ist. Die Feuerwehr muss dann vor allem die Dekontamination des Unfallortes vornehmen, um zu verhindern, dass die schädliche Flusssäure in den Boden eindringt.

Die Beherrschung des Brandes kann u. U. tagelang andauern, da Kurzschlüsse in der defekten Batterie dafür sorgen, dass sich das Feuer immer wieder entfacht. Durch die Hitzeentwicklung ist eine umfangreiche Kühlung der Batterie bzw. des gesamten Autowracks notwendig. Das ist nicht nur kostenaufwendig, auch die dafür benötigte technische Ausrüstung, wie z. B. ein ausreichend großer Container, fehlt häufig.

Transport und Lagerung des E-Autowracks

Die mangelnde Erfahrung führt auch im Hinblick auf Transport und Lagerung beschädigter Lithium-Batterien und dazugehöriger Autowracks zu Unsicherheiten und Fragen. Gefahrgutbeauftragte müssen über den Zustand der Batterien entscheiden, bevor diese transportiert und einer Entsorgung zugeführt werden dürfen.
Für die Bewertung dieses Zustandes sind zunächst die Richtlinien des ADR zu befolgen, die folgende Kategorien vorsehen:

  • „End of Life“ – Batterien, die aufgrund ihres Alters entsorgt werden und nicht beschädigt / defekt / kritisch sowie als beförderungssicher eingestuft werden.
  • „Defekt / beschädigt“ – Batterien, die beschädigt sind.
  • „Kritisch beschädigt“ – Batterien, die unter normalen Beförderungsbedingungen zu einer schnellen Zerlegung, gefährlichen Reaktion, Flammenbildung, gefährlichen Wärmeentwicklung oder einem gefährlichen Ausstoß giftiger, ätzender oder entzündbarer Gase oder Dämpfe neigen.
  • „Nicht beförderungssicher“ – Batterien, die als nicht beförderungssicher identifiziert wurden. Diese dürfen nicht befördert werden.

Anhand der Definitionen wird deutlich, dass dem Gefahrgutbeauftragten viel Interpretationsspielraum zur Verfügung gestellt wird. Bei der Bewertung der Zustände fehlt es an Genauigkeit durch eindeutige gesetzliche Leitlinien, Erfahrung im Bezug auf Elektromobilität und zusätzlich an Equipment (z. B. geeignete Messgeräte).

Eine weitere Problematik ist die Annahme von Unfallfahrzeugen, die elektrisch angetrieben sind. Herkömmliche Schrotthändler nehmen E-Autos in der Regel nicht an, weil sie keine Lösungen für die Entsorgung der Hochvoltbatterien anbieten können. Außerdem ist die Sicherheit durch die Lagerung des Wracks auf ihrem Gelände gefährdet und somit auch die Existenz ihres Gewerbes.

Verantwortung des Herstellers

Die Leidtragenden dieser Umstände sind in erster Linie Rettungskräfte und Dienstleister, die als Ersthelfer zu Autounfällen hinzugerufen werden. Fahrzeughersteller legen ihren Modellen sogenannte Rettungskarten bei, die bei der Bergung unterstützen sollen. Diese sind jedoch meist nicht detailliert genug, um alle Risiken zu umgehen. Zudem bieten Hersteller kaum Lösungen für das Recycling oder die Entsorgung gebrauchter bzw. defekter Elektroautos an.

Die Politik hat es versäumt vor der Etablierung von Elektroautos auf dem Automobilmarkt, eine funktionierende Infrastruktur zu entwickeln, die die Absicherung dieser in Zukunft immer häufiger auftretenden Unfälle gewährleistet. Der Konsens deutscher Gesetzestexte lautet, dass der Hersteller auch hinsichtlich der Entsorgung in die Verantwortung zu nehmen ist. In der Elektromobilitätsbranche scheint es diesbezüglich noch immer zu viele Unsicherheiten in allen Bereichen zu geben, um rechtliche und politische Konsequenzen zu ziehen.

Quellen

Alle Angaben ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit