Messestände auf der IFAT (Foto: Messe München)
Wie sich die Welt auf den Klimawandel einstellen und Umweltschutz leisten kann, waren die zentralen Themen der IFAT
Foto: Messe München

IFAT 2024 Messe-Highlights für gefährliche Abfälle

Die IFAT München schloss am 17. Mai mit einem Rekordergebnis: 3.211 Aussteller – darunter auch die 50 erfolgreichsten Unternehmen Europas – präsentierten auf einer Fläche von 300.000 Quadratmetern wegweisende Innovationen und Lösungen für die Branche. Die Weltleitmesse für Kreislaufwirtschaft zog rund 142.000 Besucher aus 170 Ländern und Regionen an. Auch für die Sonderabfall-Branche bot die Veranstaltung nicht nur eine Netzwerk-Plattform, sondern auch eine Vielzahl von anregenden Vorträgen und Live-Demonstrationen.

Die IFAT 2024 eröffnet mit einer Video-Botschaft von Bundeskanzler Olaf Scholz, der die Messe als „eine der Wachstumsmessen schlechthin“ bewertete. Die Bundesregierung wolle gute Rahmenbedingungen schaffen, damit die Branche weiter wachse, so Scholz: „IFAT und Deutschland – das passt zusammen.“ Vor allem mit der Kreislaufwirtschaftsstrategie habe die Bundesregierung entscheidende Weichen gestellt, führte Bundesumweltministerin Steffi Lemke in ihrer Eröffnungsrede den Gedanken weiter. Ziel sei es, den Verbrauch primärer Rohstoffe zu senken und die Recycling-Infrastruktur weiter auszubauen, so die Ministerin. Mit der kürzlich in Kraft getretenen EU-Verordnung zu kritischen Rohstoffen sieht nun die Deutsche Umwelthilfe (DUH) Umweltministerin Steffi Lemke in der Pflicht, besonders betroffene Produkte wie Elektrogeräte, Batterien und Fahrzeuge strenger zu regulieren. Laut Verordnung sollen bis 2030 mindestens 25 Prozent des jährlichen Verbrauchs strategischer Rohstoffe in der EU aus dem Recycling stammen.

Verbände als Mittler zwischen Politik und Wirtschaft

Recyclingverbände prägten unter anderem maßgeblich das Messegeschehen der IFAT, denn sie spielen hier eine entscheidende Rolle als Vermittler zwischen Wirtschaft und Politik. Verbände wie BDE, BDSAV, VDM oder bvse fördern aber nicht nur die Zusammenarbeit verschiedener Akteure, sondern bieten auf Fachmessen eine Plattform für Gespräche und Raum für Innovationen.

Beim Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft e. V. ließ sich in diesem Jahr an mehreren Ständen staunen: Auf insgesamt 850 Quadratmetern Fläche hatte sich der Verband auf der IFAT vor allem zwei thematische Schwerpunkte gesetzt: Neue Kreisläufe für Kunststoff und die Circularity for E-Mobility. Gerade beim Recycling von E-Autos ginge es aber nicht nur um die 800 kg Batterie, sondern auch um Rohstoffe wie Stahl, Aluminium, Glas und Kupfer, so Sandra Giern, seit April 2022 eine der Geschäftsführerinnen beim BDE.

In der Spotlight Area zeigte der BDE sein Kooperationsprojekt mit dem Verband der Automobilindustrie (VDA), Mercedes Benz und der TSR Recycling. Abgebildet wurde der gesamte Kreislauf Automobil: Von der Demontage des Altfahrzeuges über das Recycling der darin enthaltenen End-of-Life-Materialien bis hin zum Wiedereinsatz der zurückgewonnenen Rohstoffe in der Produktion des neuen Fahrzeuges.

VDA-Geschäftsführer Andreas Rade: „Schon heute wird die Recyclingfähigkeit eines Fahrzeugmodells in Höhe von 85 Prozent sichergestellt. Die Automobilindustrie geht über diesen ‚Design for Recycling‘-Ansatz hinaus. Die Fahrzeughersteller und Zulieferer betrachten alle Wertschöpfungsstufen und ihre Umweltauswirkungen: von den Rohstoffen über die Produktion bis hin zum Recycling. Diese ganzheitliche Betrachtung bezeichnen wir als ‚Design for Sustainability‘. Unsere klare Botschaft ist: Für uns ist Kreislaufwirtschaft das Herzstück, um unsere Nachhaltigkeitsziele in der Antriebswende zu verwirklichen.“

Wenn es aber um das Mega-Thema Batterie-Recycling geht, warnt der BDE regelmäßig vor unsachgemäßer Entsorgung. Deren Folge sind verheerende Brände in Recyclinganlagen, Abfallsammelfahrzeugen und auf Recyclinghöfen, die der Rohstoffwirtschaft erhebliche Schäden in Millionenhöhe zufügen.

„Gerade bei der Batterie-Entsorgung kommen noch zu wenige Informationen bei den Verbrauchern an. Unsere Unternehmen sind sehr gut aufgestellt, mit intensiver Mitarbeiterschulung und einem verstärkten Einsatz von Brandschutztechnik wird oft das Schlimmste verhindert. Aber wir haben verdammt viele Batterien die nicht aussortiert dem Recycling zugeführt werden, sondern falsch über Restabfall, Leichtverpackungen, Papier etc. unerkannt in die Behandlungsanlagen gehen, die Aufklärung beim Bürger ist von höchster Priorität“, fordert Sandra Giern vom BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft e. V.

Deshalb begrüßt Sandra Giern auch den neuen Referentenentwurf des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz zum ElektroG. Vor allem soll hiermit die Entnahme von Lithium-Akkumulatoren bei der Erfassung an der kommunalen Sammelstelle verbessert und den Bürgerinnen und Bürgern Fachpersonal für die Entnahme der Batterie zur Seite gestellt werden.

Einem weiteren wichtigen Thema in der Sektion Sonderabfall widmen sich sowohl BDE als auch bvse: der Entsorgung von Abfällen mit persistenten organischen Schadstoffen, wie POP, HBCD oder PFAS. Neue Anlagen entstehen gerade in Deutschland, denen es gelingt, Schadstoffe auszuschleusen und die Rohstoffe wieder in den Kreislauf einzubringen.

Beim Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e. V. (bsve) beschäftigt sich vor allem Dr. Thomas Probst mit allen Themen rund um die Sonderabfälle. Gern möchten er und der Verband helfen, die Verwertungsanteile auch bei den gefährlichen Abfällen zu steigern. Aber auf europäischer Ebene gäbe es oft noch Vorbehalte. Die Mengen an Sonderabfallaufkommen wären ungefähr gleich geblieben, nur die Verhältnisse innerhalb der Abfallarten ändern sich. So nimmt die Masse an Altöl ab – durch die wachsende E-Mobilität –, dafür das Aufkommen an Elektronikschrott konjunkturabhängig zu. Zentrales Thema beim bsve ist außerdem vor allem das Kunststoffrecycling.

Kunststoffrecycling

Was das Kunststoffrecycling angeht, sieht auch Plastics Europe Deutschland, der Verband der Kunststofferzeuger in Deutschland, aktuell viel Bewegung. Nach Verbandswahrnehmung werden die Verfahren kontinuierlich leistungsfähiger und ergänzen sich. Auf der IFAT suchten Kunststoffhersteller, Recycler und Umweltorganisationen gemeinsam nach Lösungen, um eine Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe zu ermöglichen. Am Messestand von Plastics Europe konnte man sich an einem Sushi-Band über unterschiedliche Abfallströme und Recyclingverfahren, wie mechanische und chemische Recyclingverfahren, informieren, aber auch von der Notwendigkeit eines smarten Produktdesigns überzeugen lassen.

„Die Diskussionen auf der IFAT 2024 geben Anlass zum Optimismus“, so Ralf Düssel, Vorstandsvorsitzender von Plastics Europe. „Bei der Kreislaufwirtschaft verfolgen Kunststofferzeuger, Recycler und Umweltorganisationen eine gemeinsame Vision. Es braucht eine Minimierung des Ressourcenverbrauchs und eine Verlängerung der Lebensdauer von Kunststoffanwendungen. Zudem müssen Wiederverwendungssysteme, das Recht auf Reparatur und das Design for Recycling gestärkt werden. Wir haben alle Technologien, die wir brauchen, um Kunststoffe im Kreislauf zu führen, bereits in der Hand. Jetzt steht im Vordergrund, wie und in welcher Reihenfolge die richtigen Anreize gesetzt werden müssen, um die Produktionsprozesse zu modernisieren und die Transformation zur Kreislaufwirtschaft möglichst schnell zu ermöglichen.“

Die vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) verantwortete Spotlight Area mit dem Schwerpunkt „Chemisches Recycling” schickt die Besucherinnen und Besucher auf einen Rundgang durch die Welt des Recyclings – vom Sammeln und Sortieren bis hin zum neuen Produkt.

„In den vergangenen Jahren hat das Recycling in Europa stark zugenommen. Dass in der EU aktuell 32,5 Prozent der erzeugten Kunststoffe recycelt werden können, in Deutschland sogar über 35 Prozent, liegt vor allem an modernster Abfall- und Recyclingtechnologie. Aber wir haben noch Potenziale, die es auszuschöpfen gilt“, analysiert Dr. Sarah Brückner, Geschäftsführerin des VDMA-Fachverbands Abfall- und Recyclingtechnik, die aktuelle Situation.

Eine neue EU-Verordnung erhöht nun auch den Druck auf Konsumkonzerne, ihre Verpackungen nachhaltiger zu gestalten. Eine Handelsblatt-Analyse der aktuellen Nachhaltigkeitsberichte zeigt, dass einige Hersteller weit von ihren Zielen entfernt sind. REMONDIS setzt sich beispielsweise als Entsorger seit mehr als 60 Jahren für das Recycling von PP und PE ein. Das Unternehmen hat die Sortierung und Aufbereitung nach eigenen Angaben kontinuierlich verbessert, sodass die Rezyklate inzwischen auch bei der Herstellung sehr anspruchsvoller Produkte eingesetzt werden. Wenn nämlich die Rezyklate aus hochwertigen Verpackungsanwendungen stammen, ist das Ziel, sie auch den Verpackungsherstellern für gleiche Zwecke anzubieten. Dazu ist eine ordnungsgemäße Sammlung ein wichtiger Schritt.

Recycling von teerhaltigen Abfällen

Ein weiterer Schwerpunkt der diesjährigen IFAT: In Deutschland werden derzeit mehrere Anlagenprojekte für das Recycling von pech- bzw. teerhaltigem Straßenaufbruch entwickelt, denn der Bedarf an Aufbereitungskapazitäten beläuft sich aktuell auf 3 Millionen Tonnen Material jährlich. Die Deponierung ist kostenintensiv und für die thermische Behandlung existieren europaweit aktuell nur zwei Anlagen in den Niederlanden. Nun haben das Fraunhofer Institut UMSICHT, der Deutsche Asphaltverband (DAV) und die Grenzebach Gruppe auf der IFAT ein neuartiges Aufbereitungsverfahren für teerhaltigen Straßenaufbruch vorgestellt. Hierbei handelt es sich um ein Niedertemperaturverfahren für die thermische Dekontamination, welches die Mineralik schonend behandelt und damit den Wiedereinsatz in hochwertigen Anwendungen ermöglicht, erklärte Prof. Dr.-Ing. Matthias Franke, Leiter des Institutsteils Sulzbach-Rosenberg von Fraunhofer UMSICHT.

Start-Up Area: KI, Solarmodul-Recycling und viele Innovationen mehr

Zu jeder IFAT und auch dieses Mal wurde mit Spannung erwartet: Die Start-Up Area. Hier präsentierten sich in diesem Jahr rund 50 internationale Jungunternehmen der Umwelttechnologiebranche. Darunter das Bremer Start-up „WasteAnt”. Dieses nutzt KI-Technologie, um kontinuierlich eingehende Stoffströme in einer Anlage zu analysieren und zu quantifizieren. Das KI-System erkennt im Abfall die Störstoffe, macht damit eine Rückverfolgbarkeit der Wertschöpfungskette möglich und fördert so einen effizienteren Anlagenbetrieb. Das System lernt durch den Anlagenbetrieb: die Erkennung von Störstoffen und Temperatur-Hotspots, Vorhersage von Heiz- und Emissionswerten, Überprüfung der Abfallklassifizierungsnummer und Analyse von Eigenschaften wie Homogenität oder Staubigkeit, kombiniert mit einer Rückverfolgbarkeit der Lieferanten und automatisierten Berichten. Gerade bei der Anlieferung nicht gefährlicher Abfälle mit potentiell gefährlichen Bestandteilen, z. B. Lithium-Akkus, ein sinnvoller Einsatz.

Ein nicht weniger wichtiger Fokus der Start-Up-Fläche: Erneuerbare Energien stehen an vorderster Front, um Alternativen zur fossilen Energiegewinnung zu bieten, insbesondere ist Solarenergie auch eine kostengünstigste Alternative. Trotzdem muss bei einer Lebensdauer von 25 bis 30 Jahren über das Recycling nachgedacht und nachhaltige Lösungen über den gesamten Lebenszyklus hinweg sichergestellt werden. Das End-of-Life (EoL) von Photovoltaikmodulen (PV-Modulen) ist eine große Herausforderung. Hier möchte „Photorama”, eine von der EU finanzierte Innovationsmaßnahme, bei der Verbesserung des Recyclings von Photovoltaikmodulen und der Rückgewinnung von Rohstoffen helfen. Das Konsortium aus 13 Organisationen hat eine vollständige Management-Pilotlinie eingerichtet, die alle erforderlichen, aufeinanderfolgenden Schritte umfasst: automatische Demontage, intelligente Schichttrennungstechnologien und die innovative Rückgewinnung von Metallen aus Solarzellen (Si, Ag, In, Ga). Um den Kreislauf zu schließen, werden alle Fraktionen der PV-EoL-Komponenten entweder direkt als Energiebrennstoff zurückgewonnen, wiederverwendet oder als Rohstoff für den Bau neuer PV-Module oder anderer neuer Produkte recycelt. Die Rückgewinnung soll damit über 98 % von PV-Abfällen auf industrieller Ebene ermöglichen.

Einen der Partner in diesem Prozess durfte Sonderabfallwissen ebenfalls auf der IFAT kennenlernen: LuxChemtech kann bald Module in seinen eigenen Anlagen zurückbauen und seine Einzelteile zerlegen. Das Team forciert das rückstandsfreies Recycling von gefährlichen Abfällen. Schreddern war gestern, heute trennt LuxChemtech mittels Wasserstrahlverfahren ganze Module. Interessant ist dies gerade für den Rückbau von Altmodul-Anlagen.

Quellen

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